Silvio Vietta stellt die wichtigsten europäischen Wertefamilien vor

Werte prägen Menschen, steuern Epochen, geben der ganzen Kulturgeschichte eine Struktur. Silvio Vietta beschreibt in seinem Buch „Europas Werte“ die drei wichtigsten europäischen Wertefamilien. Erstens die Werte der Rationalitätskultur – persönliche wie politische. Zweitens die Werte der Religion, vor allem diejenigen des Christentums. Drittens die Werte des Patriotismus in den europäischen Ländern. Werte liegen im Konflikt miteinander, überlagern und verdrängen sich aber auch. Silvio Vietta erläutert welche Werte in der Geschichte Europas dominieren, welche an Bedeutung verlieren. Politische Einstellungen und ganze Epochen können nach der Dominanz ihrer Werte unterschieden werden. In Zeiten des augenscheinlichen Verfalls der Werte plädiert Silvio Vietta für ihre Balance und einen europäischen Patriotismus der Werte. Prof. em. Dr. Silvio Vietta hat an der Universität Hildesheim deutsche und europäische Literatur- und Kulturgeschichte gelehrt.

Werte sind kollektive Leitvorstellungen für das Denken und Handeln

Silvio Vietta definiert den Begriff der Werte wie folgt: „Werte sind kollektive Leitvorstellungen für das Denken und Handeln in ihren jeweiligen Kulturen. Als solche haben Werte eine intersubjektive Gültigkeit und meist auch eine über Generationen hinausreichende Dauer.“ Darüber hinaus motivieren Werte die Menschen und sind Motoren der Geschichte. Auch die Entwicklung der Künste steht im Zusammenhang mit den epochal dominierenden Werten.

Eine einseitige Dominanz bestimmter Werte erzeugt zumeist problematische politische Strukturen, eine ausgeglichen Balance führt eher zu stabilen Verhältnissen in einer Gesellschaft. Aufgrund ihrer relativen Abhängigkeit von einer Kultur gibt es keine universalistischen Werte. Es gibt in jeder Kultur sogenannte „vergessene Werte“, in der dominanten europäischen Wertekultur sind dies Werte wie „Liebe“ und „Glück“, die jedoch eine starke Präsenz in der europäischen Literatur haben.

Alle Wertefallen sind Formen des Totalitarismus

Generell stellen alle Einseitigkeiten sogenannte „Wertefallen“ dar. Zu diesen zählt Silvio Vietta Diktatur und Totalitarismus, fundamentalistische Religionen, überzogenen Nationalismus, entgrenzten Sozialismus und einen entfesselten und rational nicht mehr zu kontrollieren den Kapitalismus. Im Grunde sind alle diese Wertefallen allerdings Formen des Totalitarismus, die nicht mehr in einem rational ausgewogenen Verhältnis zu anderen Werten stehen. Deshalb sind Besonnenheit und eine ausgewogenen Balance der Werte selbst ein Garant einer vernünftigen Politik, die Einseitigkeiten meidet.

Das Europa der Werte war ein Geschenk der Geschichte an die eigene Gegenwart, auch das Leben im „Europa der Vaterländer“ mit ihren unterschiedlichen reichen Kulturgeschichten, ihrem hohen Maß an rationaler Organisation, Rechtssicherheit, sozialer Verantwortung und Spielräumen für das Individuum. Silvio Vietta betont: „Es ist durchaus sinnvoll, sich für einen „Patriotismus der europäischen Werte“ einzusetzen, diese Werte in einer klugen Balance zu achten und ihnen im politischen Denken und Handeln Geltung zu verschaffen und ihnen zu folgen.“

Europas Werte
Geschichte – Konflikte – Perspektiven
Silvio Vietta
Verlag: Alber
Gebundene Ausgabe: 395 Seiten, Auflage: 2019
ISBN: 978-3-495-49076-1, 39,00 Euro

Von Hans Klumbies