Europas muss sich mehr um die eigene Sicherheit kümmern

Es wird in Deutschland immer wieder das Argument vorgetragen, Europa müsse die Zeichen der Zeit erkennen und sich endlich von den USA abnabeln. Durch das, was die Welt jetzt mit Donald Trump erlebt, wird die Notwendigkeit, dass Europa sich handlungsfähiger macht, deutlicher als je zuvor. Und Wolfgang Ischinger stimmt zu: „Es kann nicht dauerhaft politisch tragfähig sein, dass 500 Millionen wohlhabende Europäer wesentliche Teile ihrer Sicherheit an den atlantischen Partner auf der anderen Seite des Ozeans outsourcen.“ Insofern müssen die Europäer das Thema Sicherheit energischer in die eigene Hand nehmen, genau wie es die deutsche Kanzlerin Angela Merkel in ihrer Truderinger Rede gesagt hat. Wolfgang Ischinger ist Vorsitzender der Münchner Sicherheitskonferenz und einer der renommiertesten deutschen Experten für Außen- und Sicherheitspolitik.

Europa braucht Amerika als Sicherheitsgaranten

Europa muss handlungsfähiger werden, mit einer Stimme sprechen und sich zu einer Verteidigungsunion weiterentwickeln. Doch nun kommt das dicke Aber. Abnabeln ist etwas anderes, als die eigene Handlungsfähigkeit zu stärken. Abnabeln geht nicht. Wer die USA als Partner einfach abschreiben will, verkennt dreierlei: Erstens können die Europäer kurz- und mittelfristig nicht auf die amerikanische – nukleare – Sicherheitsgarantie verzichten. Europa hat ein zentrales Interesse daran, auch Donald Trump von der Bedeutung eines einigen und friedlichen Europas zu überzeugen – und vom amerikanischen Beitrag dazu.

Europa braucht Amerika, als Partner und als Sicherheitsgaranten. Zweitens ist es nicht so, dass überall auf der Welt Partner Schlange stünden, die mit Europa die liberale Weltordnung verteidigen wollten. Die Europäische Union (EU) mag sich mit China einig sein, dass eine neue Ära des Protektionismus schädlich wäre und Klimaschutz wichtig ist. Aber die darüber hinausgehenden Gemeinsamkeiten sind überschaubar. Langfristig wird die liberale Weltordnung nur Bestand haben, wenn sie von beiden Pfeilern der transatlantischen Partnerschaft gestützt wird.

Millionen von Amerikanern haben Donald Trump nicht gewählt

Drittens würden die Europäer die vielen Millionen Amerikaner ignorieren, die eben nicht Donald Trump gewählt haben. Das zivilgesellschaftliche Engagement in den USA oder die Reaktionen der amerikanischen Justiz zeigen, dass das Amerika, das die Europäer kennen und schätzen, durchaus wehrhaft ist. Anstatt sich pauschal on den Vereinigten Staaten abzuwenden, sollte Europa mit all jenen zusammenarbeiten, die an einer Bewahrung der transatlantischen Wertegemeinschaft interessiert sind.

Mache Gouverneure in großen Staaten wie Kalifornien zum Beispiel teilen die deutschen Klima- und Energieziele und haben dies im Widerstand zu Donald Trump deutlich kommuniziert. Und selbst erzkonservative Abgeordnete aus US-Südstaaten, in denen VW, BMW und Mercedes Werke betreiben, sind Deutschland in der Wirtschafts- und Handelspolitik wohlgesinnt, weil sie die deutschen Investitionen dort sehr schätzen. Wolfgang Ischinger zieht folgendes Fazit: „Europa muss selbstständiger werden, kann aber auf die Allianz mit den USA nicht verzichten.“ Quelle: „Welt in Gefahr“ von Wolfgang Ischinger

Von Hans Klumbies