Seneca unterscheidet die Weisheit von der Philosophie

Wer den Wunsch hat Weisheit zu erlangen, muss laut Seneca auf etwas ganz Notwendiges achten. Und zwar auf die Einteilung der Philosophie und die Gliederung ihres umfangreichen Ganzen nach Teilbereichen. Seneca schreibt: „Die Umwege über diese Teilbereiche erleichtern uns nämlich den Zugang zum Ganzen. So wie sich unseren Blicken ein Gesamtbild des Weltgebäudes erschließt, so müsste auch eine Begegnung mit der Philosophie als Ganzes möglich werden.“ Dieser Anblick wäre seiner Meinung nach nur mit dem Anblick des Weltalls vergleichbar. Nützlich ist allerdings nur die Gliederung der Philosophie, nicht deren Zerstückelung. Lässt sich doch Übergroßes ebenso schwer begreifen wie übermäßig Kleines.

Die Definition der Weisheit

Alles übermäßig Angewachsene überschaut sich für Seneca leichter, wenn man es in Teile zerlegt. Eine Gliederung dagegen, die zu sehr ins Einzelne geht, ist genauso von Übel, wie überhaupt keine Einteilung. Seneca definiert die Weisheit wie folgt: „Unter Weisheit verstehen wir das vollkommenste Gut menschlichen Geistes. Philosophie, das ist Liebe zur Weisheit, unser Bemühen, sie zu erlangen; sie strebt das Ziel an, das jene, die Weisheit schon erreicht hat. Warum wir von Philosophie sprechen, liegt auf der Hand; weist ja ihr Name selbst auf den Gegenstand ihrer Liebe.“

Für Andere ist die Weisheit das Wissen um Göttliches und Menschliches, einschließlich ihrer Herkunft. Auch der Begriff der Philosophie ist laut Seneca verschiedenartig gedeutet worden. Seneca schreibt: „Bemühung um Tugend nannten sie die einen, andere sprachen von Bemühung um geistige Neuwerdung, noch andere wieder vom Streben nach geordneter Vernunft.“ Eines jedenfalls steht für Seneca fest: Zwischen Philosophie und Weisheit besteht ein Unterschied.

Die drei Teile der Philosophie

Denn laut Seneca können unmöglich das erstrebte Ziel und das Streben selbst dasselbe sein. Seiner Meinung nach unterscheiden sich Philosophie und Weisheit ebenso sehr wie Habsucht und Geld, wo die eine giert und das andere begehrt wird. Seneca erklärt: „Weisheit nämlich ist Ergebnis und Lohn der Weisheitsliebe. Die eine ist der Weg, die andere ist das Ziel.“ Für Seneca gibt es keine Philosophie ohne Tugend, sowie es keine Tugend ohne Philosophie gibt. Er schreibt: „Philosophie, das ist unser Ringen um die Tugend durch Tugend.“

Zur Tugend gelangt der Mensch nach Seneca nur durch die Tugend. Die Philosophie und die Tugend sind deshalb aufs engste miteinander verbunden. Seneca unterscheidet drei Teile der Philosophie: die Sittenlehre, die Naturlehre und die Dialektik. Er erklärt: „Die erste nimmt den Geist in Zucht, die zweite erforscht unsere natürliche Umgebung, und, um zu verhindern, dass Irrtümer die Wahrheit verdrängen, erforscht die dritte die Eigengesetzlichkeiten der Sprache, ihren Aufbau und ihre Beweisarten.“

Von Hans Klumbies

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