Seneca wehrt sich dagegen, einem Philosophen den Besitz von Geld zu untersagen. Denn die Weisheit ist niemals zur Armut verurteilt worden. Wenn ein Philosoph reich ist, wird er seine ansehnlichen Schätze weder von anderen geraubt noch mit fremdem Blut befleckt haben. Er wird sein Vermögen weder zu Unrecht noch durch ein schmutziges Gewerbe erworben haben. Deshalb schreibt Seneca: „Außer böswilligen Neidern hat kein Mensch Veranlassung, über ordnungsgemäße Mehrung und Minderung von Schätzen zu jammern.“ Der Besitz gilt als anständig, wenn sich darunter nichts findet, was ein anderer als sein rechtmäßiges Eigentum bezeichnen dürfte.
Das Gebot des Schenkens
Auch ein Philosoph wird das Glück, wenn es ihm begegnet, nicht abwehren. Einem Weisen kommt kein unrechtmäßig erworbener Euro ins Haus, aber ebenso wenig wird er große Schätze von der Tür weisen, mag er sie nun dem Glück oder seiner Tüchtigkeit verdanken. Wenn ein Philosoph reich ist, wird er seinen Reichtum als unstetigen und flüchtigen Gast beherbergen und vor allem nicht dulden, dass er ihm selbst oder einem anderen zur Last fällt. Er wird Geschenke machen und zwar an Menschen die gut sind oder von denen er glaubt, sie in einen guten Menschen verwandeln zu können.
Laut Seneca ist es gar nicht so einfach, Geschenke zu machen. Er erläutert: „Schenken birgt ein Höchstmaß an Schwierigkeiten in sich, wenn es sich wirklich um wohlüberlegte Zuteilungen handeln soll, nicht um Verschleudern aus Zufall und Laune.“ Es ist für Seneca ein Gebot der Natur, seinen Mitmenschen in Notlagen zu helfen. Er vertritt die Auffassung, dass der Mensch hilfreich sein kann, wo immer man einen anderen trifft.
Der Unterschied zwischen einem Narren und einem Weisen
Seneca erklärt den gravierenden Unterschied, der zwischen einem Narr und einem Weisen besteht, wenn beide nach dem gleichen Besitz streben. Er schreibt: „Bei einem Weisen spielt der Reichtum eine dienende, beim Toren eine herrschende Rolle.“ Der Weise macht dem Reichtum keine Zugeständnisse, der Narr gestattet dem Reichtum alles. Er gewöhnt sich an ihn und hängt an ihm wie eine Klette, als hätte man ihm ewige Teilhaberschaft versprochen. Der Weise denkt mitten im Überfluss an ehesten an mögliche Armut.
Den Narren macht laut Seneca schon ein schönes Haus überheblich. Er ist sich nicht im Klaren darüber, dass es jederzeit abbrennen oder zusammenstürzen könnte. Er lässt sich von Schätzen beeindrucken, als ob sie unermesslich und über jede Gefährdung erhaben wären. Der Tor ist ein Müßiggänger, der mit seinem Reichtum spielt, ohne das Risiko zu erkennen. Er lebt träge in seiner bequemen Welt dahin, ohne daran zu denken, wie groß die Bedrohung schon ist, die sich rund herum um ihn schon ausgebreitet hat.
Von Hans Klumbies