Im Stoizismus ist eine Person in ihrem Denken autark

Das Thema Kränkung im engeren Sinne spielt in der Philosophie keine große Rolle. Wohl aber hatte diese zu den assoziierten Themen wie Enttäuschung, Verletzung und Demütigung einiges zu sagen. Reinhard Haller nennt ein Beispiel: „Der Stoizismus vertritt die Ansicht, dass die Gesellschaft gar nicht demütigen kann, weil eine Person in ihrem Denken autark ist.“ Im Stoizismus werden rational begründete Gefühle wie Kränkungen gar nicht zugelassen. Denn sie könnten ja das autonome Denken überwältigen. Da jede Person in ihrem Denken eigenständig ist, kann sie von anderen gar nicht gekränkt werden. Die stoische Apathie bedeutet aber kein Fehlen von Gefühlen, wie dies bei gemütslosen Psychopathen der Fall wäre. Selbst einem Sklaven sei es möglich, seine Gefühle vor dem Herrn zu verbergen und sie ganz allein zu besitzen. Der Psychiater und Psychotherapeut Reinhard Haller arbeitet vornehmlich als Therapeut, Sachverständiger und Vortragender.

Arthur Schopenhauer beherrschte die Kunst des Beleidigens

Im Anarchismus mit seiner nihilistischen Position wird Demütigung hingegen als Verletzung der Autonomie und Einschränkung der Souveränität des Individuums beschrieben. Daraus ziehen die Anarchisten den Schluss, dass eine Gesellschaft mit Institutionen nie eine anständige Gesellschaft sein kann. Sehr intensiv hat sich auch der deutsche Philosoph Arthur Schopenhauer mit Kränkungen befasst. Allerdings weniger mit der philosophischen Theorie als vielmehr mit deren konkreten Anwendung im philosophischen Diskurs.

Kränkungen und Beleidigungen ziehen sich durch die Schriften Arthur Schopenhauers. Der Philosoph scheint sich in der Haut des Kränkenden recht wohl zu fühlen. Manchmal sonnt e sich geradezu in seiner „Kunst des Beleidigens“. Er erklärt beispielsweise die Kränkung ganz unverfroren zum letzten Mittel, mit der man ein schon verloren gegangenes Streitgespräch noch retten kann: „Wenn man merkt, dass der Gegner überlegen ist und man Unrecht behalten wird, so werde man persönlich, beleidigend, grob.“

Die Welt ist für Arthur Schopenhauer die schlechteste unter den möglichen

Ausdrücklich lobt Arthur Schopenhauer in einer Abhandlung über die Ehre die Grobheit. Also die fehlende Feinfühligkeit und das Missachten der Kränkungsgrenzen anderer. Resümierend kommt er zu dem Schluss: „Wahrheit, Kenntnis, Verstand, Geist, Witz müssen einpacken und sind aus dem Felde geschlagen von der göttlichen Grobheit.“ Ein weiteres seiner kränkenden Beispiele lautet: „Die Welt ist eben die Hölle, und die Menschen sind einerseits die gequälten Seelen und andererseits die Teufel darin … diese Welt ist die schlechteste unter den möglichen.“

Ein weiteres Zitat von Arthur Schopenhauer lautet: „Die Haupt- und Grundtriebfeder im Menschen wie im Tiere ist der Egoismus, d.h. der Drang zum Dasein und zum Wohlsein … Alles, was sich dem Streben seines Egoismus entgegenstellt, erregt seinen Unwillen, Zwang, Hass: er wird es als einen Feind zu vernichten suchen.“ Der Wahlspruch des Egoisten lautet also: Alles für mich und nichts für die anderen. In der heutigen Philosophie dagegen findet man die Kränkungsfrage am ehesten in der Diskussion über die Auswirkungen des technischen Fortschritts und der Globalisierung. Quelle: „Die Macht der Kränkung“ von Reinhard Haller

Von Hans Klumbies

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