Pflanzen sind die Grundlage der menschlichen Existenz

In der neuen Sonderausgabe des Philosophiemagazins dreht sich alles um das Thema „Pflanzen“. Chefredakteurin Jana Glaese schreibt: „Pflanzen sind die Wurzeln dieser Welt. Ohne sie hätten wir weder Sauerstoff zum Atmen noch Nahrung zum Überleben. Sie sind die Grundlage unserer körperlichen Existenz. Und viel mehr als das.“ Manchen Menschen geben Pflanzen auch eine tiefe seelische Orientierung. Im Wald zum Beispiel finden sie Rückzug und Resonanz, in der Interaktion mit Pflanzen Entschleunigung und innere Ruhe. Überhaupt scheint die Pflanzenwelt immer mehr als Vorbild zu dienen, etwa für andere Formen des Zusammenlebens auf diesem Planeten. Aber das Handeln vieler Menschen gegenüber der Natur zeugt bei Weitem nicht immer von Achtsamkeit und Anschmiegung, sondern oft von Distanz und Herrschaftswillen. Bis heute beansprucht der Mensch seine Verfügungsgewalt über die Flora. Er rodet Wälder, modifiziert Arten, bedient sich der Böden – bis zur Erschöpfung.

Bäume kommunizieren untereinander

Viele Menschen sind gewohnt, die Natur zu verdinglichen. Für den Förster Peter Wohlleben und den Soziologen Hartmut Rosa sind Bäume jedoch mehr als nur Holz. Sie kommunizieren untereinander und können auch zu den Menschen sprechen, wenn man ihren als Gegenüber begegnet. Hartmut Rosa sagt: „Wir müssen Natur nicht nur da bewahren, wo es noch Wildnis gibt, sondern in unserer ganz konkreten Lebenswelt. Entscheidend ist hier für mich das Kriterium der Unverfügbarkeit.“

Laut dem Philosophen Emanuele Coccia haben Pflanzen, anders als die meisten höheren Tiere, keine selektive Beziehung zu ihrer Umwelt. Sie sind ständig der Welt um sich herum ausgesetzt und können es auch nicht anders. Emanuele Coccia erläutert: „Um sich so weit wie möglich an die Welt anzupassen, entwickeln sie einen Körper, der die Oberfläche dem Volumen vorzieht.“ Die meisten Pflanzen sind so aufgebaut, dass sie diese Flächen unbegrenzt vermehren können, auf halben Weg zwischen Boden und Himmel.

Die Pflanzen erscheinen als ätherische Wesen

Die Philosophin Florence Burgat warnt vor der Tendenz, die Grenze zwischen Pflanzen- und Tierreich um jeden Preis aufzulösen. Tiere und Menschen sind als lebende Organismen in ein Netz von Informationen und einen Austausch mit physikalischen, elektrischen und chemischen Elementen eingebunden. Bei ihnen kommen noch die Dimensionen der Freiheit und Emotion dazu, die in der Pflanzenwelt nicht vorhanden sind. Florence Burgat ergänzt: „Das jahreszeitlich bedingte, zeitweilige Leben der Pflanzen und ihre Wiedergeburt aus Samen weisen auf eine Seinsweise hin, die sich grundlegend von der der Tiere unterscheidet.“

Von der Antike bis zur Moderne waren westliche Philosophen überzeugt: Die Pflanze ist das niedrigste Lebewesen. Der Mensch muss jede Ähnlichkeit mit ihr vermeiden. Heute jedoch hat sich diese Aversion gegen die Vegetation in ihr Gegenteil verkehrt. Theresa Schouwink stellt fest: „Die Plätze auf der Stufenleiter des Seins haben sich vertauscht: Die Menschen erscheinen als wuchernder Befall der Erde, die Pflanzen als ätherisch Wesen, denen es nachzueifern gilt.“

Von Hans Klumbies