Was die Verbindlichkeit zu einem Schlüsselbegriff der Gegenwart werden lässt: Sie weist jeglichen Fundamentalismus zurück. Auf der anderen Seite gelten verbindliche Menschen schnell als langweilig. Maximilian Probst zeigt in seinem Buch „Verbindlichkeit“, dass die Verbindlichkeit wertvoller denn je ist, in einer Zeit, in der sich alles Verbindliche aufzulösen scheint. Er beschreibt, wo Verbindlichkeit und Verfügbarkeit sich unvereinbar gegenüberstehen und wie dieser Widerspruch sich auflösen und aufhalten lässt. Maximilian Probst schreibt: „Verbindlich ist der, der sagen kann, auch morgen werde er noch zu dem, was er gestern gesagt hat, stehen. Verbindlichkeit geht also davon aus, dass in Zukunft nicht alles anders sein wird, dass einiges beim Alten bleibt.“ Der Journalist Maximilian Probst schreibt seit 2011 vorwiegend für die Wochenzeitung die „Zeit“.
Nie war es schwieriger sich zu entscheiden als heute
Maximilian Probst zeigt in seinem Buch „Verbindlichkeit“, dass Festlegungen unverzichtbar sind, wenn ein Leben jenseits von Charakterlosigkeit, verspielter Belanglosigkeit oder selbstverleugnender Marktanpassung gelingen soll. Die Verbindlichkeit ist jener Bindestoff, der die Zivilgesellschaft zusammenhält. Seine Hauptthese lautet, dass sie der Weg vom Ich zum Wir ist. Doch er weist auch darauf hin, dass die Sehnsucht nach Verbindlichkeit kleinlich und ressentimentgeladen sein kann. Dahinter können sich die alten Phantasien von Ordnung verbergen, die der sich entfaltenden Individualität einen Strich durch die Rechnung machen wollen.
Maximilian Probst hat sich die Verbindlichkeit als Thema gewählt, weil er glaubt, dass sie eine Lösung bereithält für einige der dringlichsten Probleme der Gegenwart, für private Sinnkrisen ebenso wie für das gesellschaftspolitische Dilemma einer transzendentalen Orientierungslosigkeit. Nie war es schwieriger sich zu entscheiden als heute. Und selbst, wenn man eine Entscheidung trifft, ist sie meist nur vorläufig. Verbindlichkeit ist für Maximilian Probst ein Weg, sich selbst zu programmieren, buchstabengetreu zu dem zu stehen, was man sich vorschreibt, und auch die unabsehbaren Folgen zu tragen, die dieses Programm notwendig haben wird.
Vertrag und Vertrauen sind die zwei Formen der Verbindlichkeit
Der Wert der Verbindlichkeit liegt vor allem darin, dass sie, im Vokabular der Philosophie gesprochen, das Singuläre und das Allgemeine miteinander verbindet. Die tugendhafte Dimension der Verbindlichkeit wird von ihren Synonymen Freundlichkeit, Umgänglichkeit und Höflichkeit umrissen. Es wird gut gewesen sein, lautet das Glaubensbekenntnis der Verbindlichkeit. Zudem ist die Verbindlichkeit ein Verhalten, bei dem sich jemand einer Absichtserklärung unterwirft und sich verpflichtet fühlt, diese, so gut es geht, umzusetzen.
Es gibt zwei Formen der Verbindlichkeit. Die eine beruht auf einem Vertrag, die andere auf Vertrauen. Sobald eine Verbindlichkeit auf einem Vertrag beruht, verliert sie allerdings ihre soziale Wärme. Der Handschlag als Zeichen, dass ein Versprechen gilt, wird abgelöst durch die kalte Münze des Gelds und der formalisierten, hochtechnischen Verfahren, übe die sich im Zweifelsfall die Erfüllung des Versprechens einklagen lässt. Die auf Vertrag und Recht beruhenden Verbindlichkeiten bilden in der Moderne inzwischen ein fast lückenloses Netz.
Verbindlichkeit
Maximilian Probst
Verlag: Rowohlt
Gebundene Ausgabe: 254 Seiten, Auflage: 2017
ISBN: 978-3-498-05244-7, 19,95 Euro
Von Hans Klumbies