Tyrannenmord ist moralisch gerechtfertigt

Klaus-Peter Hufer stellt folgende Frage: „Darf direkte, personale Gewalt angewendet werden, um indirekte, strukturelle Gewalt zu verhindern?“ Beim revolutionären Widerstand gegen Diktaturen und/oder terroristische Regime gibt es wohl keine Wahl. Tyrannenmord ist durchaus erlaubt und moralisch gerechtfertigt. Den Widerständlern vom 20. Juli 1944 blieb keine Alternative zum Versuch, Adolf Hitler zu ermorden. Wie steht es aber um den Widerstand unter prinzipiell demokratischen Verhältnissen? Für Protagonisten des gewaltfreien Widerstands stellt sich diese Frage nicht. Zum einen werden von ihrer Seite „erhebliche Zweifel an den Erfolgschancen gewaltsamer Kampfmittel“ geäußert. Zum anderen sind Verluste an Menschenleben und Produktionsmittel nicht gerechtfertigt. Klaus-Peter Hufer promovierte 1984 in Politikwissenschaften, 2001 folgte die Habilitation in Erziehungswissenschaften. Danach lehrte er als außerplanmäßiger Professor an der Uni Duisburg-Essen.

Das Grundgesetz garantiert das Recht auf Widerstand

Der Friedensforscher Theodor Ebert stellt klar: „Ich halte fest an der Ansicht, dass die Demokratie nicht mit Zwangsmethoden entwickelt werden kann. Der Geist der Demokratie kann nicht von außen aufgepfropft werden, er muss von innen herkommen.“ Auch Rudi Dutschke (1940 – 1979), der bekannteste Aktivist der Studentenrevolte der 1960er-Jahre, distanzierte sich von Gewalt gegen Personen: „Aufruf zu Gewalt, zu Mord und Totschlag in den Metropolen hochentwickelter Industrieländer – ich denke, das wäre falsch und geradezu konterrevolutionär.“

Auch wenn das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland das Recht auf Widerstand garantiert (Art. 20, Abs.4), bleibt ein großer Deutungsrahmen, wie weit Widerstand geht und welche Mittel ihn rechtfertigen. Wer zivilcouragiert handelt, der steht immer in der Gefahr, in eine rechtliche Grauzone zu geraten. Denn es gibt keine Zivilcourage-Paragraphen und den kann es auch nie geben. Zivilcourage ist per Definition nicht an Legalnormen gebunden. Klaus-Peter Hufer erklärt: „Der mit Zivilcourage eingebrachte Widerstand kann sich gegebenenfalls auf die Bewahrung oder Verteidigung eines rechtlich gesicherten Zustands oder auf die Grund- und Menschenrechte berufen.“

Zivilcourage basiert auf persönlichen Wertüberzeugungen

Das kann man, wenn es zum Nachspiel mit der Justiz kommen sollte, positiv bewerten. Es kann aber auch bei allzu subjektiver Rechtfertigung des eigenen Widerstands das Gegenteil bewirken. Auch die Definition von Zivilcourage schließt einen Missbrauch oder eine subjektive Deutung nicht aus. Aber sie richtet sich primär nicht gegen das bestehende politische System, sondern positioniert sich im Alltag und in der Lebenswelt. Zivilcourage hat in der Regel ein deutlicher akzentuiertes Motiv als der allgemeiner gefasste Begriff „Widerstand“.

Die altruistische Sorge für andere, moralische Prinzipien und humanistische Werte sind meist starke Motive für zivilcouragiertes Handeln. Zivilcourage basiert unter anderem auf „persönlichen Wertüberzeugungen“ und hat somit einen mehr individuellen Bezug als der Widerstand. Allerdings gibt es eine große gemeinsame Schnittmenge zwischen widerständigen und zivilcouragierten Menschen. Zum einen müssen sie Mut aufbringen, indem sie eine Gefährdung auf sich nehmen. Zum anderen bedarf es durchaus einer erheblichen Energie, gegen den Strom zu schwimmen und sich der Macht und der Gewalt zu widersetzen. Quelle: „Zivilcourage“ von Klaus-Peter Hufer

Von Hans Klumbies