Johann Wolfgang von Goethe ritt von Weimar nach Jena

Am 20. Juli 1794 ritt Johann Wolfgang von Goethe von seinem Haus im Zentrum Weimars nach Jena, wo er an einer Sitzung der neu gegründeten Naturforschenden Gesellschaft teilnehmen wollte. Andrea Wulf blickt zurück: „Auf dem gut zwanzig Kilometer langen Weg von Weimar nach Jena kam Goethe an Bauern vorbei, die auf goldenen Feldern Weizen ernteten.“ Zwei Stunden ritt er durch flaches Ackerland, dann änderte sich die Landschaft allmählich. Kleiner Dörfer und Weiler schmiegten sich in sanfte Senken, dann wurde der Wald dichter und die Felder verschwanden. Die Gegend prägten nun Hügel. Als Autorin wurde Andrea Wulf mit einer Vielzahl von Preisen ausgezeichnet, vor allem für ihren Weltbestseller „Alexander von Humboldt und die Erfindung der Natur“ 2016, der in 27 Sprachen übersetzt wurde.

Johann Wolfgang von Goethe war der Zeus der deutschen Literatur

Auf der linken Seite erhoben sich Felsen aus Muschelkalk, das geologische Vermächtnis der Region. Dieser Teil Deutschlands war vor etwa 240 Millionen Jahren ein Binnenmeer gewesen. Kurz bevor er Jena erreichte, überquerte Johann Wolfgang von Goethe die sogenannte „Schnecke“, den steilen Hügel, nach den Serpentinen benannt, die sich hier nach oben winden. Dann endlich erblickte er Jena vor sich, eingebettet in ein weites Tal im Bogen der Saale, vor den zerfurchten Umrissen der bewaldeten Berge.

Es waren eher Hügel als hohe Berge, doch die Aussicht war spektakulär. Und der Grund, warum die Schweizer Studenten in Jena die Umgebung liebevoll „die kleine Schweiz“ nannten. Johann Wolfgang von Goethe war der Zeus der deutschen Literatur. 1749 in Frankfurt am Main als Sohn einer wohlhabenden Familie geboren, war er mit vielen Annehmlichkeiten und Privilegien aufgewachsen. Sein Großvater mütterlicherseits war Bürgermeister von Frankfurt. Sein Großvater väterlicherseits hatte sein Vermögen als Kaufmann und Schneider gemacht.

„Die Leiden des jungen Werthers“ wurde zum Buch einer ganzen Generation

Goethes Vater musste nicht arbeiten. Er verwaltete sein Vermögen, sammelte Bücher und Kunst und kümmerte sich um die Erziehung seiner Kinder. Johann Wolfgang von Goethe war ein lebhaftes und aufgewecktes Kind. Er zeigte jedoch keine außergewöhnlichen Talente. Andrea Wulf weiß: „Er zeichnete gern, war stolz auf seine tadellose Handschrift und liebte das Theater.“ Er studierte Jura in Leipzig, arbeitete als Anwalt und begann zu schreiben.

Mitte der 1770er Jahre war er mit der Veröffentlichung seines Romans „Die Leiden des jungen Werthers“ ins Licht der Öffentlichkeit gerückt. Dabei handelt es sich um die Geschichte eines verzweifelten Liebenden, der Selbstmord begeht. Goethes Protagonist ist irrational, emotional und frei. „Ich kehre mich in mich selbst zurück und finde eine Welt“, erklärt Werther. Der Roman fing die Empfindsamkeit der Zeit ein. Er wurde deshalb zum Buch einer ganzen Generation. Er war ein internationaler Bestseller und extrem populär. Quelle: „Fabelhafte Rebellen“ von Andrea Wulf

Von Hans Klumbies