Werte beeinflussen die Wirtschaft

Der Drohung mit einem Handelskrieg liegen einige grobe Missverständnisse im Welthandelssystem zugrunde. Diese betreffen nicht nur diejenigen, die aufgrund der Art und Weise wie man es managte, Wohlstandseinbußen erlitten. Joseph Stiglitz stellt fest: „Viele Verfechter der Globalisierung nahmen an, einem Freihandelssystem könnten Länder mit völlig unterschiedlichen Wertesystemen angehören. Werte beeinflussen unsere Wirtschaft – und unseren komparativen Vorteil – in tiefgreifender Weise.“ Es kann sein, dass eine weniger freie Gesellschaft auf einem bedeutenden Gebiet, etwa Künstliche Intelligenz, überlegen ist. Big Data ist hier sehr wichtig, und China hat weniger Hemmungen, Daten zu sammeln und zu nutzen. Als die USA und Europa vor rund 25 Jahren ihren Handel mit China ständig ausweiteten, hoffte man, dass dadurch der Prozess der Demokratisierung beschleunigt würde. Joseph Stiglitz war Professor für Volkswirtschaft in Yale, Princeton, Oxford und Stanford. Er wurde 2001 mit dem Nobelpreis für Wirtschaft ausgezeichnet.

China überstand die Weltfinanzkrise besser als andere

Aber das war vor der Finanzkrise 2008, welche die Grenzen des Kapitalismus amerikanischen Stils aufzeigte. Und das war bevor der chinesische Präsident Xi die Amtszeitbegrenzung für sich abschaffte. Das spricht dafür, dass China sich möglicherweise nicht so schnell, wie vom Westen erhofft, vom Autoritarismus verabschiedet. Es kann sogar das Gegenteil der Fall sein. Das besondere chinesische Wirtschaftsmodell hat sich als bemerkenswert robust erwiesen. Und das Land überstand die Weltfinanzkrise von 2008 besser als alle anderen.

Der Erfolg dieses Modells erwies sich in Verbindung mit den massiven chinesischen Auslandshilfeprogrammen als verlockend für viele Länder in der Dritten Welt. Diese versuchen, ein eigenes Wirtschaftsmodell für sich zu definieren. China begann vor und 40 Jahren seine Umstellung auf ein markwirtschaftliches System. Damals hat sich niemand vorstellen können, dass dieses verarmte Land in weniger als einem Jahrhundert ein (Bruttoinlandsprodukt) BIP erreichen kann, das annähernd der USA entspricht.

China ist immer noch ein Entwicklungsland

Der Erfolg Chinas in einigen Hochtechnologiesektoren wie Künstliche Intelligenz und Cybersicherheit hat Befürchtungen geweckt. Das gilt nicht nur hinsichtlich der internationalen Wettbewerbsfähigkeit der USA, sondern auch für die nationale Sicherheit. Unternehmen sind mittlerweile auch weniger enthusiastisch in Bezug auf China. Während sie früher das Land als eine Goldgrube ansahen, bedeuten höhere Löhne, strengere Umweltschutzbestimmungen und sonstige regulatorische Standards, dass das China-Geschäft nicht mehr so lukrativ ist wie früher.

Joseph Stiglitz erläutert: „Amerikanische Unternehmen beklagen, es sei unfair, wenn China als eine Bedingung für den Markzugang von ihnen verlange, Gemeinschaftsunternehmen einzugehen.“ Chinas Antwort darauf lautet, niemand zwingt irgendein Unternehmen, auf dem chinesischen Markt Fuß zu fassen. Ausländische Firmen kennen ja die Bedingungen für den Zugang zum chinesischen Markt. China ist jedoch immer noch ein Entwicklungsland – wenn auch ein großes – mit einem Pro-Kopf-Einkommen, das gerade einmal ein Fünftel der USA beträgt. Quelle: „Der Preis des Profits“ von Joseph Stiglitz

Von Hans Klumbies