Der CEO und die Topmanager wollen ihr eigenes Gehalt steigern

Das Zunehmen von Ungleichheit ist zum großen Teil auf Veränderungen an der obersten Spitze der Gesellschaft zurückzuführen. Jonathan Aldred erklärt: „Der Einkommensanteil des obersten Prozent ist erheblich gestiegen, sowohl im Vergleich zu den unteren 99 Prozent als auch im Verhältnis zur Wirtschaftsleistung.“ Warum ist das so? Das liegt nicht an weltweit wirkenden ökonomischen Kräften oder neuen Technologien. Und die Erklärung der Grenzproduktionstheorie ist entweder falsch oder tautologisch. Der wahre Grund ist ebenso einfach wie erstaunlich. Einfach, weil letztlich das oberste Prozent schlichtweg beschlossen hat, sich selbst viel mehr zu zahlen. Und erstaunlich, weil man diese Leute – zumindest am Anfang – dazu eingeladen hat, das zu tun. Jonathan Aldred ist Direktor of Studies in Ökonomie am Emmanuel College. Außerdem lehrt er als Newton Trust Lecturer am Department of Land Economy der University of Cambridge.

Profitmaximierende Unternehmen sind in der Realität unwahrscheinlich

Eine so absurde Einladung widerspricht dem gesunden Menschenverstand. Und so ist es kein Wunder, dass sie ihren Ursprung in ökonomischen Theorien hatte. Jonathan Aldred erläutert: „Nach der orthodoxen Ökonomik ist eine Vorbedingung für erfolgreichen Kapitalismus, dass Unternehmen danach streben, ihre Profite zu maximieren.“ Doch profitmaximierende Unternehmen sind in der Realität unwahrscheinlich, da sie ihre Profite traditionell an Aktionäre ausschütten.

Der CEO und die Topmanager, die das Sagen haben, dürften eher daran interessiert sein, ihr eigenes Gehalt oder Prestige zu steigern. Ökonomen empfehlen deshalb die sogenannte „optimale Vertragsgestaltung“. Topmanager sollten ein relativ niedriges Grundgehalt beziehen und die Möglichkeit haben, sich zusätzlich einen beträchtlichen Bonus zu verdienen, den man aufgrund hoher Profite auszahlt. Zwei der prominentesten Verfechter solcher Vergütungsmodelle sind Michael Jensen und Kevin Murphy. Die Fehler in der Argumentation für enormen Einkommenssteigerungen für CEOs sind völlig offensichtlich.

Bei der Vergütung des CEO sind die Karten gegen die Aktionäre gezinkt

Jonathan Aldred stellt fest: „Erstens beruht diese Forderung auf der Annahme, dass jegliche Profitsteigerung ausschließlich auf die Aktivitäten von CEOs und anderen Topmanagern zurückgehe. Zweitens geht sie davon aus, dass auf lange Sicht jeder Mitarbeiter der Firma von steigenden Gewinnen profitieren werde.“ Tatsächlich kann man diese schönfärberischen Annahmen ignorieren, weil etwas Handfesteres mit solchen Pay-for-Performance-Verträgen nicht stimmt. Sie waren – und sind es immer noch – zugunsten von CEOs und anderen Topmanagern manipuliert.

Der wichtigste Grund dafür ist nicht schwer zu erkennen. Pay-for-Performance-Verträge legt der Verwaltungsrat des betreffenden Unternehmens fest. Michael Jensen und Kevin Murphy fiel verspätet auf: „Es ist hauptsächlich der CEO, der die Kandidaten für den Verwaltungsrat auswählt … Die Verwaltungsratsmitglieder dienen den Interessen des CEO. In der Regel legt der CEO die Tagesordnung für Verwaltungsratssitzungen fest.“ Aus der Perspektive des vielleicht erfolgreichsten Investors der Welt, Warren Buffett, hat das zur Folge, dass „die Karten gegen die Aktionäre gezinkt sind, wenn es um die Vergütung des CEO geht“. Quelle: „Der korrumpierte Mensch“ von Jonathan Aldred

Von Hans Klumbies