Immer wieder stehen Staaten am Abgrund des Bankrotts

Glückliche Schuldner, die ihre Schuld begleichen, kommen voran. Wenn unglückliche Schuldner ihre Schuld nicht begleichen, sind ihre Gründe so vielfältig wie die unseligen Projekte, mit denen sie sich übernehmen. Nouriel Roubini stellt fest: „Das gilt nicht nur für Einzelpersonen, sondern auch für Staaten. Wenn diese am Abgrund des Bankrotts stehen, benötigen sie jemanden, der sie auffängt und ihnen wieder Halt gibt.“ Dazu sind internationale Einrichtungen wie der Weltwährungsfonds und die Weltbank da. Diese sind stark genug, um die hohen wirtschaftlichen Kosten von Fehleinschätzungen, politischen Irrungen und Ungemach zu tragen. Auch wenn die Welt heute wohlhabender ist als je zuvor, ist ein starker Arm immer schwieriger zu finden. Nouriel Roubini ist einer der gefragtesten Wirtschaftsexperten der Gegenwart. Er leitet Roubini Global Economics, ein Unternehmen für Kapitalmarkt- und Wirtschaftsanalysen.

Schuldenkrisen sind mit einer anstrengenden Reha verbunden

Die üppigsten Kapitalquelle – die reichsten Nationen – sind selbst verschuldet. Schuldenkrisen sind zwar heilbar, doch die meisten Behandlungsformen beinhalten eine kräftige Medizin und eine anstrengende Reha. Nouriel Roubini ergänzt: „Rettungsschirme bringen zwar das lebenswichtige Geld, doch die Zahlungen sind oft mit schmerzlichen Auflagen verbunden. Insolvenz und Sanierung vernichten Arbeitsplätze und kosten Investoren teures Geld; dennoch können sie scheitern.“

Inflation verringert zwar im Laufe der Zeit die Schuldenlast, doch auch die Ersparnisse schmelzen dahin, und die Kosten steigen. Kapitalbesteuerung belastet die Eigentümer von Sach- und Geldvermögen. Finanzrepression schiebt die Rechnung einem verschwenderischen Finanzsektor zu, der sich darauf versteht, Last an alle anderen weiterzugeben. Sparmaßnahmen scheinen sinnvoll, doch sie können in eine schwere Rezession führen. Die einzig vernünftige Lösung ist Wirtschaftswachstum. Doch das rückt in weiter Ferne, wenn die Initiative unter Schulden erstickt wird.

Nouriel Roubini hat nichts gegen Schulden

Die Übernahme von privater Überschuldung durch den Staat führt oft direkt in die staatliche Überschuldung. Ein gutes Beispiel ist für Nouriel Roubini Argentinien, das vor der fünften Staatspleite seit 1980 steht. In der Vergangenheit haben Einigungen mit den Kreditgebern noch jedes Mal den Zugang des Landes zum internationalen Kapitalmarkt wieder hergestellt. Doch damit bereitete man nur neuen Finanzkrisen den Boden. Heute ist Argentinien eher die Regel als die Ausnahme. Nouriel Roubini erläutert: „Riesige Defizite, negative Zahlungsbilanzen und ein unersättlicher Hunger nach Krediten haben viele Länder an den Rand der Zahlungsunfähigkeit gebracht.“

Um nicht falsch verstanden zu werden: Nouriel Roubini hat nichts gegen Schulden: „Kredite sind ein sinnvolles Instrument zur Finanzierung von Investitionen, solange die Volkswirtschaft gesund, die Währung stabil, der Anteil der Verschuldung am Bruttoinlandsprodukt Rahmen, die Zahlungsbilanz ausgeglichen ist und die Einkommen steigen.“ Wirtschaftswachstum trägt dazu bei, dass die Schuldenlast beherrschbar bleibt. Solange die Wirtschaft floriert, kann sich die Politik darauf konzentrieren, ihre Konjunkturmaßnahmen zu justieren. Quelle: „Megathreats“ von Nouriel Roubini

Von Hans Klumbies