Die Macht wandert von den Finanzzentren in die Politik

Der amerikanische Wissenschaftler und Publizist Ian Bremmer hat herausgefunden, dass der Einfluss staatlich gelenkter Konzerne weltweit wächst. Seiner Meinung nach provoziert der neue Staatskapitalismus politische Krisen und könnte sich sogar zu einem globalen Wachstumsrisiko entwickeln. Vor allem im Verlauf der vergangen zehn Jahre hat eine neue Art von Unternehmen die internationale Bühne betreten. Sie gehören entweder der heimischen Regierung oder sind zumindest eng mit ihr verflochten. Ian Bremmer nennt als Beispiele den mexikanischen Zementhersteller Cemex und die brasilianischen Minengesellschaft Vale. Die beiden Konzerne pflegen enge Kontakte zu ihren Regierungen, wodurch sie ihre marktbeherrschende Stellung durch die feindliche Übernahme kleinerer inländischer Konkurrenten festigen können. Ian Bremmer schreibt, dass beide Unternehmen im Grunde genommen nationale Champions in Privatbesitz sind.

Staatskonzerne müssen sich der politischen Macht beugen

In den Ranglisten der größten Firmen der Welt sind in den vergangen Jahren auch immer häufiger Energiekonzerne in Staatsbesitz aufgetaucht wie der russische Konzern Gazprom oder Petro China. Immer größere Staatsunternehmen gibt es aber nicht nur im Energiesektor. Schon vor drei Jahren war China Mobile der Anbieter mit der weltweit größten Zahl von Mobiltelefonkunden. Diese Staatskonzerne sind keine traditionellen multinationalen Firmen, da sich ihre Führung nicht vor den Aktionären, sondern sich vor allem vor den politischen Machthabern verantworten muss.

 Im Laufe der vergangen Dekade haben die Regierungen etlicher Schwellenländer laut Ian Bremmer darauf hingearbeitet, wertvollen Landesbesitz in den Händen des Staates zu halten, um sich mit dieser Strategie genügend Einfluss auf ihre Volkswirtschaften zu bewahren und somit den Erhalt der eigenen Macht zu festigen. Im Jahr 2008 hat seiner Meinung nach dieser Trend zu immer mehr staatlicher Macht in großen Konzernen eine kritische Schwelle überschritten.

Der Staatskapitalismus ist keine Wiederkehr der sozialistischen Planwirtschaft

Während der Finanzkrise und der weltweiten Rezession rissen Politiker sowohl in den Schwellenländern als auch in den Industrienationen die Verantwortung für unternehmerische Entscheidungen an sich, die normalerweise den Kräften des Marktes überlassen sind. Dies geschah in einem Maße, wie man es seit Jahrzehnten nicht mehr erlebt hatte. Ian Bremmer erklärt, dass etliche Länder sich die Kontrolle über Konzerne verschafften, die zuvor als Führer einer ganzen Branche galten. Der Publizist stellt rund um die Welt eine Verlagerung von Macht aus den Finanzzentren in die Kapitalen der politischen Macht fest.

Der Staatskapitalismus ist für Ian Bremmer keineswegs die Auferstehung der sozialistischen Planwirtschaft des vergangenen Jahrhunderts. Er ist eine Form von bürokratisch gelenktem Kapitalismus, der  je nach der Regierungsart eines Landes, in verschiedenen Varianten auftreten kann. Es ist ein System, in dem der Staat die Märkte dominiert, um sich damit politische Vorteile zu sichern. Allerdings gibt es laut Ian Bremmer langfristig keine Belege dafür, dass politische Amtsträger die Wirtschaft besser regulieren können als der Markt.

Von Hans Klumbies