Heinz Bude beschreibt in seinem neuen Buch „Bildungspanik“ wie eine große Unsicherheit die deutsche Gesellschaft durchdringt. Nämlich die Frage, ob die deutschen Schüler und Studenten in Zukunft gegen die internationale Konkurrenz bestehen können. Die Ergebnisse der PISA-Studien haben in Deutschland eine rege Diskussion über die Leistungsfähigkeit des aktuellen Schulsystems ausgelöst. Heinz Bude stellt fest, dass dabei selten darüber gesprochen wird, was gelernt werden soll. Sondern viel häufiger wird darüber gesprochen, wie die Bildungschancen verteilt werden sollen. Für den Soziologen gehört die Bildung zu dem Feld, auf dem die Bürger soziale Unterschiede ausspielen können. Er schreibt: „Das Bedürfnis, sich zu unterscheiden, und die Angst vor dem gesellschaftlichen Abstieg lassen sich nicht wegdiskutieren. Das zeigt die gescheiterte Reform in Hamburg genauso wie der Run auf teuere Privatschulen.“ Heinz Bude ist seit dem Jahr 2000 Inhaber des Lehrstuhls für Makrosoziologie an der Universität Kassel.
Die schulische Kultur der Bildung wird infrage gestellt
Laut Heinz Bude muss die Schuldebatte das Grundrecht auf Bildung genauso ernst nehmen wie das Bedürfnis, durch Bildung einen sozialen Status zu erreichen. Die Diskussion muss sich auch mit der Frage auseinandersetzen, wie viel Gleichheit die deutsche Gesellschaft braucht. Und wie viele Unterschiede sie erträgt und welche Folgen die Ergebnisse für das Schulsystem haben.
Man muss sich gemäß Heinz Bude das Streben nach Geltung in Deutschland vor Augen führen, wenn man die zurückhaltende oder abweisende Haltung der so genannten neuen Mittelschicht zu den Bildungsreformen in Deutschland verstehen will. Der Autor erklärt: „Es ist nicht so sehr die Reformierung der Schule im Dienste der Integration, was diese Eltern auf die Palme bringt, sondern die damit einhergehende Infragestellung einer schulischen Kultur der Bildung.“
Das Bildungssystem befindet sich in einer Zerreißprobe
Für Heinz Bude sind heute zwei Entwicklungen auf dem Bildungssektor offensichtlich. Zum einen die Dramatisierung der Lage an der Peripherie, wo sich Bildungsghettos entwickelt haben. Zum anderen die Zunahme einer sozialen Abschottungsbewegung der Mittelschicht, die vor allem in der Verteidigung von Bildungsreservaten für die Kinder der Besserverdienenden und Höhergebildeten zum Ausdruck kommt. Heinz Bude schreibt: „So scheint das deutsche Bildungssystem einer Zerreißprobe ausgesetzt. Diese droht das Prinzip der öffentlichen Bildung überhaupt in Frage zu stellen.“
Im letzten Kapitel seines Buchs „Bildungspanik“ hat Heinz Bude endlich gute Nachrichten für seine Leser. Er schreibt: „Es ist noch selten eine Generation in Deutschland mit so guten Chancen ins Bildungssystem eingetreten und vom Bildungs- ins Beschäftigungssystem gewechselt. Das Verhältnis von Geburtenaufkommen und Stellenverfügbarkeit hat sich in den letzten Jahren so günstig entwickelt, das eigentlich für jede und jeden Platz ist.“ Zum Schluss seines Werks erinnert Heinz Bude noch an Georg Wilhelm Friedrich Hegel, der den Sinn der Bildung schlicht darin sah, sich für anderes, für andere und für allgemeine Gesichtspunkte offen zu halten.
Bildungspanik
Was unsere Gesellschaft spaltet
Heinz Bude
Verlag: Hanser
Gebundene Ausgabe: 142 Seiten, Auflage: 2011
ISBN: 978-3-446-23761-2, 14,90 Euro
Von Hans Klumbies