Herbert Schnädelbach denkt über das Selbstbewusstsein nach

Bei einer ersten philosophischen Annäherung an den Begriff des Selbstbewusstseins wird deutlich, dass es sich dabei um einen Bezug des Bewusstseins auf sich selbst, also um eine reflexive oder selbstreferenzielle Struktur handelt. Im Alltag achtet der Mensch allerdings nicht ständig auf sich selbst, denn dies würde seine Handlungen stark einschränken. Zugleich ist für Herbert Schnädelbach jedoch klar, dass Menschen stets dazu in der Lage sind, die reflexive Perspektive einzunehmen. Herbert Schnädelbach schreibt: „Menschliches Bewusstsein ist im deutlichen Unterschied zu dem, was wir von den Tieren wissen, so verfasst, dass es sich jederzeit, wenn keine physischen oder psychischen Hindernisse dagegenstehen, seines Bewusstseins bewusst sein kann und damit stets mögliches Selbstbewusstsein ist.“ Vor seiner Emeritierung war Herbert Schnädelbach Professor für Philosophie an den Universitäten Frankfurt am Main, Hamburg und an der Humboldt-Universität in Berlin.

„Ego cogito ergo sum“ ist eine unbezweifelbare Tatsache

Der skeptische Zweifel, es könnte sich bei dem, was ein Mensch weiß, um eine subjektive Täuschung handeln, die mit der Wirklichkeit  nicht in Einklang steht, war die Ursache für die Philosophie der Neuzeit, systematisch das Bewusstsein zu analysieren, um jenen prinzipiellen Zweifel zu widerlegen oder wenigstens einzuschränken. Es war laut Herbert Schnädelbach René Descartes, der den Skeptizismus mit seinen eigenen Waffen schlug und mit dem berühmten Satz „Ego cogito ergo sum“ eine erste unbezweifelbare Tatsache präsentierte.

Für René Descartes stand fest: Wenn ein Mensch zweifelt und solange er zweifelt, kann er nicht bezweifeln, dass er existiert. Dies gilt auch für alle anderen Zustände des Bewusstseins, die er als cogitationes zusammenfasste. Immanuel Kant griff die Gedanken seines Kollegen auf und erklärte, dass der Begriff „Ich denke“ alle Vorstellungen des Menschen begleiten können muss. Denn sonst würde etwas in ihm vorgestellt werden, was möglicherweise gar nicht gedacht werden könnte. Daraus folgt, die Vorstellung würde entweder unmöglich oder wenigstens für den Menschen selbst nichts sein.

Ein Subjekt erkennt Alles und wird von Keinem erkannt

John Locke vertrat die Auffassung, dass die Kenntnis des Menschen von sich selbst aus sogenannten „ideas of reflection“ stammt, also aus Vorstellungen, die ein Individuum durch seine innere Wahrnehmung gewinnt. Aber er erkannte laut Herbert Schnädelbach, dass der dabei in Anspruch genommene Unterschied zwischen Innen und Außen nicht selbst wahrgenommen werden kann, sondern einen unmittelbaren Selbstbezug oder ein nicht erst durch Vorstellungen vermitteltes Gewahrsein seiner selbst und seiner Aktionen erfordert.

Für Arthur Schopenhauer ist der Satz „Die Welt ist meine Vorstellung“ eine erste und keiner weiteren Beweise bedürftige Wahrheit. Ohne die Existenz eines Subjekts, das sich Vorstellungen macht, gibt es für ihn keine Objekte. Ein Subjekt ist für Arthur Schopenhauer dasjenige, was Alles erkennt und von Keinem erkannt wird. Es ist daher der Träger der Welt, die durchgängige, stets vorausgesetzte Bedingung aller Erscheinungen, sprich aller Objekte. Denn nur für das Subjekt ist, was überhaupt existiert. Insofern das Subjekt erkennt, findet es sich selbst.

Von Hans Klumbies