Es gibt drei Möglichkeiten für ein geglücktes Geschlechterverhältnis

Das Titelthema des neuen Philosophie Magazin 04/2018 lautet: „Männer und Frauen: Wollen wir dasselbe?“ Es gibt drei Möglichkeiten für ein geglücktes Geschlechterverhältnis: Erstens klare Regeln, die sexueller Übergriffigkeit einen Riegel vorschiebt. Zweitens Selbstermächtigung. Die Kulturwissenschaftlerin Mithu M. Sanyal fordert Frauen auf, in eine aktive Sexualität zu finden, anstatt eine Gesellschaft zu fordern, die sie vor allen erdenklichen Verletzungen schützt. Drittens das Verstehen. In einem „Spiel der Verführung“ lernen sich Frau und Mann endlich wirklich kennen. Laut Svenja Flaßpöhler, Chefredakteurin des Philosophie Magazins, braucht es ein Geschlechterverhältnis, das Lust aus der Differenz zieht, anstatt sich von ihr zerstören zu lassen. Die ausdrückliche Zustimmung beim Sex gehört zu den Kernforderungen der #metoo-Bewegung. Kritiker befürchten deshalb einen neuen Puritanismus. Nils Markwardt vertritt in seinem Artikel die These, dass eher das Gegenteil zutrifft.

Nassim Nicholas Taleb fordert die Rückkehr zu alten Weisheiten

Für Mithu M. Sanyal ist es an der Zeit, männliche Sexualität nicht weiter als übermächtig und weibliche als ausgeliefert zu denken. Das bedeutet natürlich nicht, getanes Unrecht zu verleugnen, sondern neue Handlungsoptionen für beide Geschlechter zu eröffnen. Mithu M. Sanyal schreibt: „Zielstrebigkeit und Übergriffigkeit sind nicht im männlichen Gehirn verkabelt, und umgekehrt im weiblichen nicht Scham und vornehme Zurückhaltung.“ Schon der Psychoanalytiker Jacques Lacan erkannte: „Lebe deine Begierden, solange sie sich im Rahmen des Gesetzes befinden.“

In der Rubrik „Das Gespräch“ verbindet der ehemalige Wallstreetbanker und Bestsellerautor Nassim Nicholas Taleb die Wahrscheinlichkeitsrechnung mit antiker Philosophie. In seinem neuen Buch klagt er all jene Politiker, Trader und Intellektuelle an, die für Entscheidungen kein Risiko eingehen – und fordert die Rückkehr zu alten Weisheiten. Beim Geschäftsmann Seneca hat Nassim Nicholas Taleb eine einfache Idee wiedererkannt: „Alles wird bestimmt durch die Asymmetrie von Gewinnen und Verlusten. Wenn Sie eine Entscheidung treffen, sollte Ihr Schaden, wenn Sie sich geirrt haben, weniger bedeutend sein als Ihr Profit, wenn Sie recht hatten.“

Die Bücher von Karl Marx gelten wieder als analytischer Schlüssel zur Gegenwart

Als „Klassiker“ stellt das Philosophie Magazin diesmal Karl Marx vor. Denn dieser Tage, da sich am 5. Mai sein 200. Geburtstag jährte, ist der Autor des Kapitals und des Manifests der Kommunistischen Partei aktueller denn je. Nachdem der globale Kapitalismus durch die Finanzkrise im Jahr 2008 ins Wanken geriet und eine weltweit zunehmende Polarisierung neue Klassenkämpfe entfacht, gelten seine Bücher wieder als analytischer Schlüssel zur Gegenwart. Wenn man das Proletariat als Inbegriff all derer versteht, die für Lohn arbeiten, dann umfasst es tatsächlich jene überwältigende Mehrheit, die etwa die Occupy-Bewegung in ihrem Slogan „We are the 99 percent“ veranschlagt hat.

Zum Buch des Monats hat das Philosophie Magazin „Assembly“ von Michael Hardt und Antonio Negri gekürt. Das Grundanliegen ihres neuen Buches bringt das Autorenduo auf eine einfache Formel: „Niederlagen gilt es anzuerkennen, ohne sich geschlagen zu geben.“ Wenn sie ihren neuen Band „Assembly“, also Versammlung, nennen, dann wissen sie um die verschiedenen Versammlungsformen auf öffentlichen Plätzen wie dem Gezi-Park in Istanbul, aber auch um die gewaltsamen Aufstände in südamerikanischen Slums oder amerikanischen Großstädten. Eine ihrer Aufgaben sehen die Autoren darin, herauszufinden, wie die vielen entscheiden können – um gemeinsam herrschaftsfrei über sich selbst zu bestimmen.

Von Hans Klumbies