Der Soziologe Hartmut Rosa beschäftigt sich mit der Frage, was man für ein erfülltes Leben braucht. Diese Frage, so Hartmut Rosa, sei konsequent in die Sphäre des Privaten verdrängt worden. Im gesellschaftlichen Diskurs sei sie beinahe völlig tabuisiert und damit entpolitisiert worden. Dirk Steffens und Fritz Habekuss ergänzen: „Die Suche danach, was glücklich macht, konzentriert sich folglich vor allem auf das Streben nach mehr Wohlstand.“ Zwischen einem gelingenden Leben und Geld existiert zwar wirklich ein Zusammenhang. Aber die Kurven des Glücks und des Wohlstands trennen sich bereits auf recht niedrigem Niveau. Denn dann müsste ja jeder, der einen Job, eine Wohnung, genug zu essen und obendrein noch Mittel für Auto und Urlaub hat, immer völlig glücklich sein. Hartmut Rosas These ist, dass es im Leben darum geht, wie man die Welt erfährt und wie man zu ihr Stellung nimmt.
Die Resonanz verbindet Gefühl und Verstand
Hartmut Rosa hat dafür das Konzept der Resonanz entwickelt. Sie ist kein Gefühl, sondern beschreibt, wie Menschen ihre Beziehungen zur Welt wahrnehmen. In Erfahrungen der Resonanz kann man Gefühl und Verstand verbinden. Es gibt für Dirk Steffens und Fritz Habekuss keinen besseren Ort als die Natur, um das zu erleben. Sie erscheint als lebendiges Gegenüber, das in der Lage ist, etwas in einem Menschen zum Schwingen zu bringen. Dabei ist es egal, ob man eine Herde Elefanten durch die Savanne ziehen sieht oder die Gewalt eines Herbststurms spürt.
Die Natur ist beileibe nicht immer angenehm, sondern kann widerspenstig, störrisch, unverfügbar sein. Aber in jedem Fall antwortet sie. Das unterscheidet sie zum Beispiel von einem Shoppingcenter, das manchen Menschen zwar auch Freude bereitet, aber niemals Lebendigkeit ausstrahlen kann. Dabei ist der Wunsch nach einer Verbindung zur Natur längst ebenfalls kommerzialisiert, schreibt Hartmut Rosa, Outdoorkleidung und Naturheilkunde sind Beispiele dafür.
Man kann Natur nicht konsumieren
Doch das ist eben das Besondere an der Natur. Dirk Steffens und Fritz Habekuss erklären: „Eine Amsel zeigt sich nicht auf Kommando, ein Strauch im Garten wächst, wie er will. Man kann Natur nicht konsumieren. Für eine echte, resonante Erfahrung müssen wir uns wirklich auf ihre Spielregeln einlassen und hören, was sie uns zu sagen hat.“ Genau das aber passiert selten. Dabei ist es nicht schwer. Man muss nur einmal hinausgehen, an einen Ort, wo nicht Beton und Glas und Stahl regieren.
Das Handy ausschalten, losgehen und dann: nichts. Nichts erwarten, nichts verändern wollen, nichts mitnehmen, nichts tun. Positiv neugierig sein, zum Beispiel darauf zu achten, welche Gerüche der Wind heranträgt. Oder zu beobachten, wie sich das Licht schon im Laufe einer Viertelstunde verändert. Zuhören, nicht nur dem Außen, sondern auch dem Innen. Spüren, welche Signale der Körper sendet, den Gedanken folgen und sie wieder ziehen lassen. Mit ein wenig Geduld wird es gelingen, in einen Zustand der Kontemplation zu versinken. Quelle: „Über Leben“ von Dirk Steffens und Fritz Habekuss
Von Hans Klumbies