Die derzeitige Globalisierung ist weit vielfältiger, als sie üblicherweise wahrgenommen wird. Im Gegensatz zur verbreiteten ökonomistischen Verkürzung findet sie nämlich in drei Dimensionen statt, die Otfried Höffe als „globale Gewaltgemeinschaft“, als „globale Kooperationsgemeinschaft“ und als „globale Schicksalsgemeinschaft von Not und Leid“ bezeichnet. Längst lebt die Menschheit in einer Welt, in der das Netz wirtschaftlicher und sozialer, technischer und ökologischer, wissenschaftlicher und kultureller, nicht zuletzt rechtsmoralischer Kooperation immer enger geknüpft ist. Otfried Höffe ergänzt: „Leider trifft das auch auf das Netz krimineller und anderer Bedrohungen zu. In all diesen Bereichen taucht ein globaler Handlungsbedarf auf.“ Als Bespiele nennt Otfried Höffe den Umwelt- und Klimaschutz sowie den Kampf gegen den Terrorismus und die organisierte Kriminalität. Otfried Höffe ist Professor für Philosophie und lehrte in Fribourg, Zürich und Tübingen, wo er die Forschungsstelle Politische Philosophie leitet.
Der Standpunkt politischer Freiheit fordert eine demokratische Rechtsordnung
Es ist ein Irrglaube wohlmeinender, aber erfahrungsresistenter Moralisten zu glauben, wenn ihr Land, beispielsweise Deutschland, zumindest aber ihre Großregion, die Europäische Union, nur „mutig vorpresche“, werde ihr der Rest in Demut folgen. Wer sich nicht den Mühen unterzieht, zu global verbindlichen, von Ausnahmen freien Vereinbarungen zu kommen, hilft den global notwendigen Veränderungen nicht. Stattdessen schadet er dem eigenen Land oder der eigenen Staatengruppe.
Otfried Höffe erklärt: „Dass die deshalb notwendige Weltrechtsordnung den Bedingungen eines freiheitlichen Zusammenlebens sowie einer entsprechenden Rechts- und Politikordnung zu unterwerfen sind, ist offensichtlich.“ Weitgehend unstrittig ist auch, dass der Standpunkt politischer Freiheit eine demokratische Rechtsordnung fordert. Otfried Höffe schwebt eine weltumgreifende, kosmopolitische Freiheit vor. Durch sie wird der internationale Naturzustand auf eine Weise überwunden, dass Recht und Demokratie nicht länger nur territorial begrenzt, sondern weltweit gelten. Zumal das nationale Recht etwa durch Terrorismus, organisierte Kriminalität und Missbrauch der digitalen Kommunikation bedroht ist.
Otfried Höffe fordert eine freiheitliche Weltrechtsordnung
Diese drei exemplarischen Bedrohungen deuten an, dass es eine freiheitliche Weltordnung nicht nur aus internationaler Perspektive, nämlich für die Kooperation der Staaten, sondern ebenso aus der Bürgerinitiative braucht. Mindestens zwei Argumente verlangen von den Bürgern, ihre Tugenden, die Trias von Rechtssinn, Gerechtigkeitssinn und Gemeinsinn, auf eine kosmopolitische Praxis auszuweiten. Im Zuge dieser Ausweitung drängen nun die kosmopolitisch offenen Bürger ihre Staaten, eine globale Rechtsordnung einzurichten.
Wenn die Staaten, die bislang dominierenden kollektiven Subjekte, ein Höchstmaß an Handlungsfähigkeit behalten wollen, statt sie an den teils wirtschaftliche, teils politischen Weltmarkt abzutreten, haben sie keine andere Möglichkeit, als sich auf politische Innovationen einzulassen. Deren wichtigste besteht laut Otfried Höffe in einer globalen Ordnung mit Rechts- und Demokratie-Charakter. Für beide Zwecke, sowohl für eine globale Realisierung politischer Freiheit als auch zum Zweck kollektiver Handlungsfähigkeit, braucht es eine freiheitliche Weltrechtsordnung. Quelle: „Kritik der Freiheit“ von Otfried Höffe
Von Hans Klumbies