Antonio Damasio offenbart die Geselligkeit der Triebe

Der Apparat der Triebe, Motivationen und Emotionen beschäftigt sich mit dem Wohlergehen des menschlichen Organismus, in dem die Reaktionen ablaufen. Die meisten von ihnen sind von ihrem Wesen her in größerem oder kleinerem Maßstab sozial. Ihr Einflussbereich erstreckt sich weit über das Individuum hinaus. Antonio Damasio erklärt: „Begehren und Lust, Fürsorge und Ernährung, Zuneigung und Liebe wirken im sozialen Zusammenhang. Das gleiche gilt für die meisten Fälle von Freude und Traurigkeit, Furcht und Panik oder Wut. Aber auch für Mitgefühl, Bewunderung und Staunen, für Neid, Eifersucht und Verachtung.“ Die kraftvolle soziale Ausrichtung war für den Intellekt des Homo sapiens eine unentbehrliche Stütze. Antonio Damasio ist Professor für Neurowissenschaften, Neurologie und Psychologie an der University of Southern California und Direktor des dortigen Brain and Creative Institute.

Bilder lösen im menschlichen Geist Emotionen aus

Antonio Damasio hält fest, dass die Geselligkeit – eine Ansammlung von Verhaltensstrategien, die für die Schaffung kultureller Reaktionen unentbehrlich ist. Er findet auf dem Weg über die Affekte in den kulturellen Geist der Menschen Eingang. Die meisten Bilder, die in einen menschlichen Geist vordringen, werden eine schwache oder starke emotionale Reaktion auslösen. Woher das Bild kommt, spielt dabei keine Rolle. Als Auslöser kann jeder sensorische Prozess dienen, vom Geschmack und Geruch bis zum Sehen.

Und dabei ist es eigentlich auch nicht wichtig, ob das Bild in der Wahrnehmung frisch geprägt oder aus dem Speicher des Gedächtnisses abgerufen wird. Ebenso ist es nicht wichtig, ob das Bild belebte oder unbelebte Objekte, Eigenschaften von Objekten zeigt. Oder ob es Farben, Formen, die Klangfarbe von Geräuschen –, Handlungen, Abstraktionen oder Urteile über die zuvor genannten Dinge darstellt. Die Verarbeitung vieler Bilder, die durch den menschlichen Geist fließen, hat eine vorhersehbare Folge. Nämlich dass eine emotionale Reaktion und anschließend das zugehörige Gefühl folgen.

Die Evolution wird für immer an den Gefühlen festhalten

Häufig wird die nicht unvernünftige Frage gestellt, warum sich Gefühle überhaupt irgendwie anfühlen sollen. Nämlich angenehm oder unangenehm, erträglich still oder wie ein unaufhaltsamer Sturm. Antonio Damasio kennt die Antwort: „Als die vollständige Konstellation physiologischer Ereignisse, die Gefühle ausmacht, in der Evolution erstmals auftauchte und mentale Erlebnisse ermöglichte, veränderte sich etwas. Gefühle machten das Leben besser. Sie verlängerten und retteten das Leben.“ Das Auftreten von Gefühlen steht in engem Zusammenhang mit einer anderen Entwicklung: der des Bewusstseins und insbesondere der Subjektivität.

Gefühle vermitteln ihrem Organismus den Wert des Wissens. Das ist wahrscheinlich auch der Grund, warum die Evolution an ihnen für alle Zeiten festhalten wird. Gefühle beeinflussen den mentalen Prozess von innen. Dass sie zwangsläufig überzeugend sind, hat mehrere Gründe. Sie sind stets positiv oder negativ, sie haben ihren Ursprung in Vorgängen, die der Gesundheit oder dem Tod Vorschub leisten. Und sie ergreifen und schütteln den Betroffenen ganz buchstäblich, sodass die auch die Aufmerksamkeit für die Situation erzwingen. Quelle: „Im Anfang war das Gefühl“ von Antonio Damasio

Von Hans Klumbies