Viele Menschen machen sich selbst klein

Es gibt ein weitverbreitetes Phänomen: Wenn es etwas Positives zu sagen gibt, wenn etwas gelingt, dann ist man es selbst gewesen. Wenn nicht, sind die anderen schuld. Reinhard K. Sprenger ergänzt: „Die meisten Menschen haben nicht das geringste Problem, die Verantwortung für das Gute, das Gelungene, das geglückte in ihrem Leben zu übernehmen.“ Für das Positive erklären sich die meisten Menschen – mal stillschweigend, mal prahlerisch – verantwortlich. Wenn die Dinge aber schiefgegangen sind, mutieren die meisten Menschen plötzlich zum Opfer. Das Urheberrecht wird abgewiesen: an die Umstände, das Pech, die anderen. Auch Wissenschaftler übernehmen gern für positive Leistungen die Verantwortung, bei negativen Begleiterscheinungen sprechen sie lieber von unvorhersehbaren Nebenfolgen und Restrisiko. Reinhard K. Sprenger ist promovierter Philosoph und gilt als einer der profiliertesten Managementberater und Führungsexperte Deutschlands.

Das Denken prägt die Sprache

Andererseits werden die Erfolge anderer eher den Umständen zugeschrieben, ihre Misserfolge aber mit Charaktereigenschaften erklärt. Das gilt auf für Rechtfertigungen. Menschen neigen dazu, die guten Gründe auf ihrer Seite zu sehen und den anderen die schlechten zu lassen. Es ist eine extrem verbreitete Einstellung, sich kleinzumachen und die Umstände zu bezichtigen, um nicht verantwortlich zu sein. Dies beginnt immer unscheinbar mit einer entlastenden Sprachformel und endet in einer Opfergeschichte, die manchmal das ganze Leben umfasst.

Irgendwann ist ein Mensch das, was er von sich denkt. Denn das Denken prägt nicht nur die Sprache. Die Sprache prägt auch umgekehrt das Denken. Der Philosoph Martin Heidegger sagt: „Die Sprache ist das Haus des Seins.“ Er meint damit, dass die Sprache auf das Bewusstsein zurückwirkt. Durch entschuldigende Formeln, entlastende Wendungen und Verständnis heischende Einschübe glauben viele Menschen mehr und mehr, sie würden tatsächlich vom „Müssen“ unterdrückt. Dabei ist das Einzige, was sie dabei unterdrücken, ihr aufrechter Gang.

Der Konjunktiv ist die Sprache der Ohnmacht

Diese Einstellung entlarvt sich noch in anderen Sprachwendungen. Vor allem der Konjunktiv ist die Sprache der Ohnmacht. Wer sagt: „Ich sollte“, der hat nich nie etwas getan. Sein Wille konzentriert sich auf das kluge Darüber-Reden. Diese Unverantwortlichkeit wir noch einmal überboten vom: „Man sollte …!“. Das ist, gemessen zum Sprachgefühl von Reinhard K. Sprenger, die Krönung des Ohnmachtjargons. Ursprünglich beschreibend gebraucht, leitet sich das „man“ von der Beobachtung allgemeiner Gepflogenheiten her und bedeutet etwa „irgendein Mensch“.

So bietet es sich geradezu an, die eigene Entscheidung in einer scheinbar allgemeingültigen Kulisse verschwinden zu lassen. Die Verantwortung des Einzelnen zerfasert. In der Gegenwart kann man passiv bleiben, der Schwarze Peter wird der Allgemeinheit zugeschoben. Sehr verbreitet ist in diesem Zusammenhang auch die Haltung: „Mehr wissen wollen, als zum Handeln nötig ist.“ Das ist ein billiger Schlupfwinkel, um Verantwortung zu vermeiden. Die Energie fließt ins Analysieren und Reflektieren. Quelle: „Die Entscheidung liegt bei dir!“ von Reinhard K. Sprenger

Von Hans Klumbies