Das Glück hat nichts mit Geld oder der Liebe zu tun

Die Liebe, ein Sechser im Lotto, ein Haus, eine Beförderung – das alles macht die Menschen nicht langfristig glücklich. Das einzige, was sie glücklich macht, sind nach Ansicht der Biologen angenehme körperliche Empfindungen. Yuval Noah Harari erklärt: „Wenn wir vor Glück tanzen, weil wir gerade im Lotto gewonnen oder uns verliebt haben, dann hat das nichts mit dem Geld oder der Liebe zu tun, sondern mit den Hormonen, die durch unser Blut rasen, und den elektrischen Stürmen in unserem Gehirn.“ Bei aller Euphorie des Verliebtseins und bei allem Schmerz über gebrochene Herzen scheint das biochemische System darauf programmiert zu sein, das Glücksniveau mehr oder weniger konstant zu halten. Yuval Noah Harari ist Professor für Geschichte an der Hebrew University of Jerusalem.

Die Evolution interessiert sich nicht für Glück

Yuval Noah Harari erläutert: „Die Evolution interessiert sich nicht für Glück – sie interessiert sich nur für Überleben und Fortpflanzung und achtet deshalb darauf, dass wir nicht zu glücklich oder zu unglücklich werden.“ Die Evolution sorgt zum Beispiel dafür, dass männliche Angehörige der Art Homo sapiens ein angenehmes Gefühl erleben, wenn sie beim Geschlechtsverkehr mit fruchtbaren weiblichen Angehörigen ihrer Art ihre Gene weitergeben. Würden sie den sexuellen Akt nicht als lustvoll empfinden, dann würden sie sich vermutlich kaum die Mühe machen, ihn auszuleben.

Gleichzeitig sorgte die Evolution dafür, dass dieses angenehme Gefühl schnell wieder abflaut. Wenn der Orgasmus niemals nachließe, würden die glücklichen Männchen die Nahrungsaufnahme vergessen und verhungern, oder zumindest würden sie sich nicht mehr nach weiteren fruchtbaren Weibchen umsehen. So kommt es laut Yuval Noah Harari, dass äußerlich Ereignisse wie Sex, ein Lottogewinn oder ein Autounfall das Glück nur auf kurze Sicht positiv oder negativ beeinflussen. Das biochemische System lässt nicht zu, dass es über ein bestimmtes Niveau nach oben oder unten ausschlägt und führt die Menschen langfristig wieder zum Ausgangspunkt zurück.

Menschen mit einer heiteren Biochemie sind glücklich

Es stimmt zwar, dass verheiratete Menschen glücklicher sind als Singles, aber das muss nicht unbedingt bedeuten, dass eine Heirat glücklich macht. Es kann genauso gut sein, dass Glücklichsein Ehen erst anbahnt. Yuval Noah Harari ergänzt: „Ober besser gesagt sind es Serotonin, Dopamin und Oxytocin, die Ehen anbahnen und erhalten. Menschen mit einer heiteren Biochemie sind generell glücklich und zufrieden. Solche Menschen sind attraktiver und haben daher bessere Aussichten, Partner zu finden.“

Sie lassen sich auch seltener wieder scheiden, da es viel einfacher ist, mit einem zufriedenen und glücklichen Menschen zusammenzuleben als mit einer depressiven und unzufriedenen Person. Aber die wenigsten Biologen sind Dogmatiker. Sie behaupten zwar, dass das Glück vor allem von der Biochemie bestimmt wird, aber sie räumen sofort ein, dass auch psychische und gesellschaftliche Faktoren eine Rolle spielen. Manchmal sind die Menschen davon überzeugt, dass sie durch Revolutionen oder Reformen glücklich werden, doch die Biochemie holt sie jedes Mal wieder auf den Boden der Tatsachen zurück.

Von Hans Klumbies