Anlässlich des neuen Films von Woody Allen „Whatever Works“ hat das Zeitmagazin ein Interview mit dem berühmten Regisseur geführt. Mit seinem aktuellen Film ist Woody Allen nach New York zurückgekehrt. Er gibt auch zu, dass es ihm schwer fällt, seine Zuneigung zu der Metropole zu verbergen. Für ihn ist diese Stadt allen anderen Städten in den USA unendlich überlegen. Er kann es sich nicht vorstellen, jeden Morgen in Denver oder Santa Fe aufzuwachen und vor dem Frühstück ein Lasso über irgendeine Kuh werfen zu müssen, um sie zu melken. In dem neuen Film von Woody Allen, der in der letzten Woche in Deutschland anlief spielen Patricia Clarkson und Ed Begley jr. ein konservatives Ehepaar aus der Provinz, das durch New York geradezu befreit wird – vor allem sexuell.
In der amerikanischen Provinz ist die Sexualität von Angst geprägt
Woody Allen sagt dazu, dass die New Yorker im Vergleich zur amerikanischen Provinz ein durchaus entspanntes Verhältnis zur Sexualität haben. In der Provinz dagegen ist die Sexualität ein Ausdruck von Angst und Repression. Dort sind der religiöse Wahnsinn, der Waffenfanatismus, die übergeschnappten Rechten und eine von zweifelhaften Sittengesetzen geprägte Sicht der Sexualität.
In „Whatever Works“ wird die Hausfrau aus den Südstaaten zur bewunderten Fotografin. Ihre Tochter gewinnt viel Lebenserfahrung durch ihre Liebe zu einem Mann, der dreißig Jahre älter ist als sie. Woody Allen bestätigt, dass der wandlungsfähige Mensch eine Utopie seines Spätwerks ist. Er sagt: „Die Vorstellung, dass Menschen ihre Vorurteile, auch gegenüber sich selbst, überwinden, hat mir schon immer gefallen.“
In Wahrheit sind Sexszenen langweilig
Auffallend ist, dass die Liebe und Sex in seinen in Europa gedrehten Filmen viel sinnlicher wirkt als in seinen amerikanischen, wo die Sexualität eher neurotisch wirkt. Woody Allen bestätigt, dass in den USA Sex schon immer ein ungemein wichtiges Thema war, dem man sich nur auf feierliche, pompöse Weise nähern kann. Als die sexuelle Befreiung in Amerika auf das Kino übergriff, dachten die Regisseure und Produzenten, dass man Sex nun auf die Leinwand als Ersatz für Dramatik und gute Geschichten bringen könne. In Wahrheit sind solche Szenen einfach langweilig.
In Europa dagegen ist die Sexualität für Woody Allen ein ganz normaler Teil des Lebens und nicht diese große, sündige Sache. In europäischen Filmen dient Sex dazu, die verschiedenen Möglichkeiten der Sexualität in ihren Konflikten zu zeigen. In Amerika wird Sex als eine dramaturgische Waffe benutzt, wie die Gewalt. Woody Allen distanziert sich strikt von dieser Auffassung. Seine Lebensphilosophie lautet: „Man muss versuchen, das Beste draus zu machen. Egal, ob das bedeutet, dass man keine Kinder hat oder viele. Ob man viel arbeitet oder gar nicht. Ob man mit einer viel jüngeren oder viel älteren Frau lebt. Oder mit zwei Frauen. Oder mit drei Ehemännern.“
Von Hans Klumbies