Gute Diplomatie ist eine hohe Kunst

Am Ende zählen in der Außenpolitik nicht Symbole und Worte, sondern Entscheidungen und Taten. Wolfgang Ischinger weiß: „Der Pomp und die Umstände, die Staatsbesuche und politische Gipfel umranken, kontrastieren oft mit der Schwere der dabei besprochenen außenpolitischen Konflikte.“ Heute gilt genau wie in früheren Jahrhunderten, dass Kommunikation zwischen Mächtigen mehr ist als die juristische Ausarbeitung von Texten und Verträgen, nämlich immer auch ein zwischenmenschliches Zusammenspiel. Sonst bräuchte es keine Gipfeltreffen und keine Staatsbesuche. Sonst könnten Experten im Hinterzimmer Vertragstexte aufsetzen, die dann solange hin- und hergeschickt werden, bis eine Einigung erfolgt. Aber jeder, der einmal einen Vertrag unterschrieben hat, weiß, dass für die Unterschrift weniger das Kleingedruckte ausschlaggebend war als das wechselseitige Vertrauen in die Vertragstreue des Gegenübers. Wolfgang Ischinger ist Vorsitzender der Münchner Sicherheitskonferenz und einer der renommiertesten deutschen Experten für Außen- und Sicherheitspolitik.

Die Diplomatie folgt jahrhundertealten Regeln

Wenn man sich mit Diplomatie beschäftigt, wird schnell klar, wie kompliziert eine Begegnung zweier wichtiger politischer Repräsentanten werden kann. Das geht bei der Ortswahl des Treffens und der Tagesordnung los und hört bei der Körpersprache und der Sitzordnung für die Teilnehmer nicht auf. Aber nicht nur diplomatische Treffen, auch der Antritt eines neuen Botschafters ist strengen Regeln unterworfen. Das fällt aber meist nur dann auf, wenn der Start eher holprig erfolgt.

Die Diplomatie folgt Regeln, die sich seit Jahrhunderten entwickelt und bewährt haben. Am Anfang aller Regeln steht die Akkreditierung. Nach seiner Ankunft überreicht ein neuer Botschafter dem Staatsoberhaupt des Gastlandes ein Schreiben des eigenen Staatsoberhauptes – er wird also akkreditiert. In Berlin läuft dieser Prozess wenig glanzvoll ab. Man redet ein paar freundliche Sätze, tauscht sich aus, lernt sich kennen. Nach einer halben Stunde ist meist schon alles vorbei.

Freundliche Gesten ebnen den Weg zum Erfolg

Kleine Gesten können Großes bewirken – im Guten wie im Schlechten. Willy Brandts Kniefall vor der Mauer des Warschauer Ghettos 1970, spontan vollzogen, war eine Geste von immenser symbolischer Bedeutung und damit ein historisches Ereignis, das heute in keinem Geschichtsbuch fehlt. Sie wurde zum Symbol der damals neuen deutschen Ostpolitik und damit zum visuellen Meilenstein auf dem Weg zur späteren Wiedervereinigung Deutschlands.

Diplomatische Rituale und Gesten haben also ein großes Potenzial als Harmoniesignal, aber eben auch als Anlass für Konflikte und Spaltung. Ein Diplomat versucht durch kluge Formulierungen und freundliche Gesten den Weg zum Erfolg zu ebnen. In der Außenpolitik heißen die Ziele nicht „Gewinnen“, sondern Sicherheit, Frieden und Vertrauen. Dazu gehört es eben auch, Sätze zu sagen, die vielleicht nicht ganz der objektiven Wahrheit entsprechen, die aber zur Wahrheit werden könnten, wenn alle Beteiligten so wollen – und sich die Dinge entsprechend fügen. „Welt in Gefahr“ von Wolfgang Ischinger

Von Hans Klumbies