Der Begriff Leistung durchdringt alle Lebensbereiche

Leistung gilt als das entscheidende Kriterium, an dem man die Aktivitäten von Menschen misst. Und Leistungsbereitschaft ist neben Teamfähigkeit, Mobilität und Flexibilität eine der neuen Kardinaltugenden. Konrad Paul Liessmann erläutert: „Leistung ist ein Begriff, der aus der Physik in die Gesellschaft gewandert ist und dort zu einer umfassenden, alle Lebensbereiche durchdringende Kategorie geworden ist: Arbeit in der Zeiteinheit.“ Es geht also darum, in einem bestimmten Zeitraum ein bestimmtes Quantum an Arbeitsschritten zu erledigen. Die Karriere der Leistung ist sehr eng verbunden mit der Verehrung der Arbeit und dem Ideal messbarer Effizienz. Wer diesen Kriterien genügt, der hat auch Erfolg und kann auf Erlösung hoffen. Prof. Dr. Konrad Paul Liessmann ist Professor für Methoden der Vermittlung von Philosophie und Ethik an der Universität Wien und wissenschaftlicher Leiter des Philosophicum Lech.

Effizienz allein besagt noch nichts

Wer nur strebend sich bemüht, ist der Leistungsgesellschaft nicht der Rede wert. Dem österreichisch-amerikanischen Managementguru Peter Drucker wird folgender Ausspruch zugeschrieben: „Das Geheimnis der Japaner ist eben, dass sie arbeiten und nicht darüber reden.“ Wahrscheinlich hat Peter Drucker das gesagt, als alle vor der aufstrebenden Wirtschaftsmacht Japan zitterten, viel von der japanischen Herausforderung und dem japanischen Jahrhundert die Rede war.

Heute ist Japan ein krisengeschütteltes Land mit immenser Verschuldung, ein Land, das noch Jahrhunderte mit den Folgen des Reaktorunglücks von Fukushima technisch, ökonomisch und sozial beschäftigt sein wird. Effizienz allein besagt noch nichts. Konrad Paul Liessmann erklärt: „Effizienz bedeutet vorerst nur, vorgegebene Ziele in einem vorgegebenen Zeitraum möglichst rasch und möglichst kostengünstig zu erledigen. Wir streben nach Effizienz, weil wir glauben, dann mehr in unserem Leben unterzubringen. Hinter der Rede von der Effizienz verbirgt sich die angstbesetzte Vorstellung, man könnte etwas versäumen oder ein anderer könnte schneller sein.“

Die Effizienz ist ein Feind der Kultur

Wo alles nach den Maßstäben der Effizienz berechnet wird, verschwindet die Kultur. Wo die Kultur verschwindet, verschwindet alles, was das Leben lebenswert macht. Eine durch und durch effiziente Welt wäre eine Welt ohne Menschen, also letztlich ineffizient. Numerische Effizienz allein ist also kein sinnvolles Kriterium für den Erfolg einer Handlung, einer Unternehmung, einer Idee. Auch der Erfolg hat viele Facetten, viele Ursprünge, viele Gesichter und viele Erscheinungsformen.

Erfolg stellt sich ein, so hört man immer wieder, wenn vorgegebene oder selbstgesteckte Ziele des persönlichen Handelns erreicht werden. Bis zu einem gewissen Grad hängt das Erfolgserlebnis immer davon ab, wie man diese Ziele definiert. Man kann sich Ziele hoch stecken oder bescheiden sein, man kann utopische Ziele formulieren oder auf realistische Einschätzungen setzen, man kann das Menschenmögliche anvisieren oder irreale Utopien und das Paradies auf Erden als Zielvorstellung formulieren. Quelle: „Bildung als Provokation“ von Konrad Paul Liessmann

Von Hans Klumbies