Bekommen Kinder früh und viel Zuwendung, entwickeln sie sich schneller und umfassender – und zwar geistig wie körperlich. Kleinkinder registrieren viel mehr, als ihnen die meisten Menschen zutrauen. Werner Bartens erklärt: „Je mehr Zuwendung die Eltern einem Kind schenken, desto aufnahmefähiger wird es. Dann lernt es zum Beispiel früher sprechen und entwickelt rascher soziale Kompetenzen.“ Haben Eltern und Kinder ein frühzeitig gepflegte liebevolle und stabile Beziehung, macht das Kinder später widerstandsfähiger gegen Stress und Depression und begünstigt zudem einen gleichmäßigeren Herzrhythmus, der sie als Erwachsene weniger anfällig für Infarkte macht. Da der Tastsinn der erste Sinn ist, der sich entwickelt, kann er auch schon früh stimuliert werden. Werner Bartens ist Autor von Bestsellern wie „Das Ärztehasser-Buch“, „Körperglück“ und „Was Paare zusammenhält“.
Berührung ist die erste Sprache
Maria Hernandez-Reif von der Universität Alabama erläutert: „Das Neugeborene macht bereits umfangreich haptische Erfahrungen und ist empfänglich dafür. Berührung ist die erste Sprache. Verstehen kommt es viel später als fühlen.“ Regelmäßige Berührung kräftigt bei Säuglingen die Knochen, beschleunigt die Entwicklung – zudem sind die Mütter dann weniger unruhig und depressiv, währen beteiligte Väter so mehr Nähe entwickeln. Auch die kognitive Entwicklung beginnt bei Kindern viel früher, als bisher angenommen wurde.
Auch die kognitive Entwicklung ist davon abhängig, wie oft und intensiv Kinder berührt werden. Gisa Aschersleben von der Universität Saarbrücken betont: „Kinder können schon im Alter von sechs Monaten einfache Handlungen als zielgerichtet verstehen.“ Tests haben ergeben, dass Kinder von aufmerksamen, sensiblen und liebevollen Müttern einfache Zusammenhänge besser verstehen als Kinder, deren Mütter eher abwesend waren und weiniger auf Kinder eingingen. Gisa Aschersleben ergänzt: „Zudem entwickeln sich Sprache, Ausdauer und soziale Kompetenzen besser, wenn Kinder sich sicher gebunden fühlen.“
Erziehung ist die ganz normale Katastrophe
Auch das Verständnis dafür, dass Handlungen emotional sind, ist bei Kindern offenbar schon sehr früh vorhanden. Maria Legersteef von der York-Universität Toronto stellt fest: „Ein mentales Bewusstsein gibt es seit der Geburt. Es wird durch Zuneigung verstärkt, und es ist besonders die mütterliche Sensibilität, die Kinder sozial und emotional macht.“ Mechthild Papousek von der Ludwig-Maximilians-Universität in München sagt: „Im Vorschulalter sind die Förderprogramme eigentlich schon zu spät dran. In breiten Kreisen verstummt und verarmt die Kommunikation in den Familien, da muss man früher etwas tun.“
Remo Largo, der bekannte Buchautor von der Universitätskinderklinik in Zürich, behauptet: „Erziehung ist die ganz normale Katastrophe. Immer treten Konflikte auf, Kinder können ohne Konflikte gar nicht groß werden.“ Man darf den Eltern daher nicht das Gefühl geben, schuldig zu sein, wenn das Kind manchmal nicht schläft, nicht isst, häufiger schreit oder ein auffälliges Sozialverhalten zeigt. Das ist natürlich kein Freibrief für Vernachlässigung. Remo Largo betont: „Es ist wichtig, dass Kinder schon ganz früh eine Bezugsperson haben, die verfügbar ist, feinfühlig und verlässlich.“ Quelle: „Wie Berührung hilft“ von Werner Bartens
Von Hans Klumbies