Vorschulkinder müssen wesentlich besser gefördert werden

Spitzenforscher in Deutschland, allen voran diejenigen der Nationalakademie Leopoldina warnen, dass in der Bundesrepublik zu wenig getan wird, um die Ein- bis Sechsjährigen zu fördern. Außerdem fehle den Betreuern in den Kitas oft das notwendige Fachwissen. Deshalb muss Deutschland wesentlich mehr Geld in die Bildung der Vorschulkinder investieren. In einem Bericht über „Frühkindliche Sozialisation“, den ein 15-köpfiges Forscherteam, unter Federführung der Leopoldina verfasst hat, steht unter anderem: „Was Kinder bis zur Einschulung erfahren, prägt ihr Leben und lässt sich später kaum noch nachholen. Das gilt sowohl für das Erlernen von Sprache  und Intelligenz als auch für emotionale Stabilität. Das Personal in Kitas muss mehr Wissen über die geistige und emotionale Entwicklung der Kinder und typische Störungen erwerben.“

Deutschland war im vorschulischen Bereich lange ein Entwicklungsland

Die Leopoldina mit ihren 1.500 Wissenschaftlern vertritt die deutsche Wissenschaft in internationalen Gremien. Jürgen Baumert vom Max-Planck-Institut für Bildungsforschung sagt: „Im vorschulischen Bereich war Deutschland lange ein Entwicklungsland. Wir holen auf, liegen aber noch zurück.“ Für die Wissenschaftler, die an der Studie mitgearbeitet haben, besteht kein Zweifel daran, dass frühkindliche Bildung gesamtgesellschaftlich besonders sinnvoll ist. Insgesamt sollen ihrer Meinung nach mehr Kinder, vor allem aus bildungsfernen Familien, Krippen und Kindergärten von hoher Qualität besuchen.

Außerdem fordern die Wissenschaftler in den frühkindlichen Einrichtungen kleinere Gruppen und dass die Mitarbeiter sofort eingreifen, wenn sich bei den Kleinkindern irgendwelche Defizite zeigen. Katharina Spieß vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung fordert: „Im Berufsverständnis sollten sich Erzieherinnen auf einer Stufe mit Grundschullehrerinnen fühlen können.“ Statt für eine Kindergartenpflicht plädieren die Wissenschaftler für stärkere Anreize, vor allem für Familien aus sozial schwachen und bildungsfernen Schichten.

Frühkindliche Bildung hat nicht zwangsweise etwas mit Verschulung zu tun

Die Kinder von benachteiligten Familien könnten besonders vom Besuch solcher Einrichtungen profitieren. Die Wissenschaftler schreiben: „Dies gilt vor allem für das Lernen einer Sprache, die nicht Muttersprache ist, also für Kinder aus Migranten-Familien.“ Katharina Spieß fügt hinzu: „Manchen Eltern fehlen Informationen, welche Bedeutung frühkindliche Erfahrungen für das Leben haben. Für viele fängt Bildung erst mit der Schule an.“ Frank Rösler von der Universität Hamburg hat hegt folgenden Gedanken: „Vielleicht sollte man nicht Betreuungsgeld zahlen, wenn das Kind zuhause bleibt, sondern wenn Eltern es in eine Einrichtung schicken.“

Laut dem nationalen Bildungsbericht der Bundesrepublik besuchten im Jahr 2013 schon 94 Prozent der Drei- bis Sechsjährigen einen Kindergarten. Von den Jüngeren gehen in den westlichen Bundesländern 25 Prozent, in den östlichen Bundesländern 50 Prozent in eine Krippe. Frühkindliche Bildung bedeutet für die Forscher nicht zwangsläufig eine Verschulung. Es geht vor allem darum, Kindern zu ermöglichen, ihre Chancen zu nutzen. Jürgen Baumert erklärt: „Entscheidend ist, dass man Mädchen oder Jungen über kritische Schwellen ihrer Entwicklung hilft.“ Quelle: Süddeutsche Zeitung

Von Hans Klumbies