Der bürgerliche Konsum war nachhaltig

Mit dem Bericht des Club of Rome von 1972 erhielt die alte Vorstellung des Konsums einen Dämpfer. Dessen Essenz im vulgären wie im eleganteren Sinne von Mehr an Quantität und Qualität bedeutete. Ulf Poschardt erklärt: „Direkt nach den sozialistischen Utopien der Sechzigerjahre begann die Zeit der bürgerlichen Utopien.“ In diesen war die Verantwortung des Konsumenten die staatsbürgerliche Fortschreibung seiner Freiheiten. Der bürgerliche Konsum war in der Tendenz nachhaltig, zumindest wenn er sich um repräsentative Symbolik bemühte. Allerdings versäumten es die bürgerlichen Politiker und Intellektuellen, bis auf wenige Ausnahmen, sich diesen Ideen zu verschreiben. Dabei hatten es konservative Bürger immer so gehalten: Nachhaltig ist, was man vererben kann und man nicht wegeschmeißen muss. Seit 2016 ist Ulf Poschardt Chefredakteur der „Welt-Gruppe“ (Die Welt, Welt am Sonntag, Welt TV).

Nachhaltigkeit und Mündigkeit gehört zusammen

Luxus und klassisch bürgerliches Leben waren über eine betuliche Form der Distinktion stets verbunden. Doch die Denker des Bürgerlichen haben sich von den Hinweisen des Club of Rome eher erschrecken als inspirieren lassen. Ulf Poschardt spekuliert: „Das Bürgertum hätte sich schon Anfang der Siebzigerjahre zur konservativen Avantgarde des Nachhaltigen entwickeln können.“ Die FDP hatte genau zu der Zeit die richtige Idee, Nachhaltigkeit mit der Mündigkeit des Konsumenten zu verknüpfen.

Aber die FDP hat diese Überlegungen aus dem Freiburger Programm einfach brachliegen lassen. Der deutsch-britische Soziologe Ralf Dahrendorf schrieb schon 1983, dass die Grünen ein wichtiges Zukunftsmodell der Demokratie waren. Weniger wegen ihres Einsatzes für den Schutz der Natur und Umwelt als vielmehr durch ihre Art, die Jungen und Nicht-Etablierten für die politische Arbeit zu werben. Die Idee des mündigen Konsumenten war eine individualistische Verantwortungsethik der besonderen Art. Sie hätte früh kulturelle Wurzeln im Liberalismus schlagen können oder sogar müssen.

Die Natur überlebt nur als Profitcenter

Die Natur wird gerettet, wenn man damit – so Armin Nassehi – Wahlen gewinnt. Ulf Poschardt fügt hinzu: „Wer lediglich radikale Forderungen im Sinne der Natur aufstellt, verspielt seine Chance, politisch ernst genommen zu werden.“ Die Natur überlebt im Kapitalismus im Zweifel nur, wen sie – nachhaltig genutzt – als Profitcenter funktioniert. Dies geht aber nicht ohne mündige Verbraucher. Der Verbraucher ist mit seinem ritualisierten Konsumverhalten weniger Revolutionär als Reformer.

Er muss die veränderten Ansprüche an sein Konsumverhalten mittragen. Im Zuge der Demokratisierung des Wohlstands haben die westlichen Nationen die Ressourcen des Planeten – exponentiell steigend – verbraucht. Deswegen muss man Fortschritt und Wachstum künftig ressourcengeizig denken und konzipieren. Die Vorstellung, dass die Ressourcen an frischer Luft, reinem Wasser und gesundem Land ebenso endlos sind wie die Öl-, Kohle- und Gasvorkommen, verlockte zum Raubbau. Quelle: „Mündig“ von Ulf Poschardt

Von Hans Klumbies