Das Rätsel Mensch konnte nur über das Tier gelöst werden

Im Buch „Tiere. Der Mensch und seine Natur“ ist eine Zusammenfassung des 16. Philosophicums im österreichischen Lech am Arlberg, bei dem Philosophen, Biologen, Verhaltensforscher und Kulturwissenschaftler über das Verhältnis von Tier und Mensch in allen Facetten diskutierten. Denn kaum ein Thema hat in den letzten Jahren soviel Aufregung, Beachtung und Erbitterung verursacht, wie die Frage des Umgangs des Menschen mit dem Tier. In seinem Beitrag, der dem Buch den Titel gab, sagt Konrad Paul Liessmann, dass der Aufruf, dem Tier endlich angemessen zu begegnen und ihm Gerechtigkeit widerfahren zu lassen, nur vom Menschen kommen kann, der zumindest tendenziell aufgehört hat, ein Tier zu sein. Zu den Autoren des Buchs „Tiere. Der Mensch und seine Natur“ zählen unter anderem: Eugen Drewermann, Kurt Kotrschal, Reinhard Brandt, Jean-Claude Wolf, Dieter Birnbacher und Thomas Macho.

Tiere zu essen wird in der Zukunft eines Menschen nicht würdig sein

Der Theologe und Psychotherapeut Eugen Drewermann weist in seinem Vortrag darauf hin, dass jeden Tag weltweit etwa 150 Tier- und Pflanzenarten ausgerottet werden. Außerdem hegt er die Hoffnung, dass den Menschen Tiernahrung eines Tages so unmöglich erscheinen wird, wie der Kannibalismus. Tiere zu essen wird dann eines Menschen nicht würdig sein. Schon heute ist die Tierhaltung in vielen Fällen eine einzige Barbarei. Viele Tiere sehen nie eine Wiese, niemals einen blauen Himmel – außer in den wenigen Minuten, da sie auf dem Weg zum Schlachthof verladen werden.

Der Philosoph Reinhard Brandt thematisiert in seinem Essay unter anderem Gefühl, Bewusstsein und Selbstbewusstsein bei Tieren. Seiner Meinung nach muss es zumindest ein rudimentäres Ichbewusstsein bei Tieren geben. Reinhard Brandt behauptet: „Tiere und Menschen verfügen über ein Selbstbewusstsein je eigener Art, ohne dabei dieses Selbst im Denken zu thematisieren.“ Viele Tiere besitzen auch die Fähigkeit zu bemerken, wenn sie von anderen Lebewesen angeschaut werden.

Viele Menschen schätzen ihre Haustiere als einfühlsame Partner

Der Verhaltensbiologe Kurt Kotrschal vertritt die These, dass die zentralen Fragen der Beziehung zwischen Mensch und Tier wie folgt lauten: Warum streben Menschen Beziehungen mit Tieren an und warum sind sie möglich? Eine Antwort lautet, dass Tierkumpane dem Bedürfnis der Menschen nach einfühlsamen Partnern entsprechen. Noch dazu erfüllen sie diese Funktion bei vergleichsweise geringem sozialem Aufwand. Eine Katze oder ein Hund liefern keine Wortgefechte, üben keine Kritik und stellen kaum soziokulturelle Forderungen.

Der Philosoph Dieter Birnbacher stellt in seinem Diskussionsbeitrag die Frage, ob Tiere Rechte haben. Er verweist darauf, dass ein Recht auf Nichtschädigung von Tieren im deutschen Tierschutzgesetz verankert ist, in dessen Präambel auch die Unterlassung der Zufügung von Schmerzen und Leiden aufgeführt wird. Tiere in menschlicher Obhut genießen ein erweitertes Schutzrecht. Dieter Birnbacher zitiert das Naturschutzgesetz, in dem es in Paragraph 2 heißt: „Wer ein Tier hält, betreut oder zu betreuen hat, muss das Tier seiner Art und seinen Bedürfnissen entsprechend angemessen ernähren, pflegen und verhaltensgerecht unterbringen.“

Tiere
Der Mensch und seine Natur
Philosophicum Lech
Paul Liessmann (Hg.)
Verlag: Zsolnay
Broschierte Ausgabe: 382 Seiten, Auflage: 2013
ISBN: 978-3-552-05602-2,  19,90 Euro
Von Hans Klumbies

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