Silvio Vietta stellt Jean-Jacques Rousseau vor

Selten kann man bei der Lektüre eines Theoretikers so direkt der Geburt einer radikal neuen und zugleich schrecklichen Staatstheorie beiwohnen. Es ist der totalitär-egalitäre Staat, den Jean-Jacques Rousseaus „Contrat“ gebiert. Und damit den Terreur der französischen Revolution ebenso wie den Terror der totalitären kommunistischen Regimes. Sie alle konnten sich auf Jean-Jacques Rousseau berufen. Sie taten dies auch zum Teil bei der Realisierung ihres schrecklichen Regimes als Ausdruck einer idealistischen Idee. Silvio Vietta weiß: „Gegen den totalitären Staat mit dem höchst moralischen Anspruch hat der einzelne Bürger wenig Chancen.“ Weil eben der Staat mit Jean-Jacques Rousseau ja immer beanspruchen kann, das „Gemeinwohl“ zu vertreten. Prof. em. Dr. Silvio Vietta hat an der Universität Hildesheim deutsche und europäische Literatur- und Kulturgeschichte gelehrt.

Der messianischen Führer verfügt über absolute Gewalt

Daher kann man jeden Protestanten gegen den Staat jederzeit als Störenfried abstempeln, der am besten zu beseitigen oder gar zu töten ist. Der messianische Führer eines solchen Staates verfügt über absolute Gewalt. Denn er ist imstande, sich als die absolute Moralinstanz aufzuspielen, gegen die es kein Aufbegehren geben darf. Die Geschichte sollte dann den absoluten Führer in der Gestalt eines Maximilien de Robespierre, Wladimir Iljitsch Lenin und Josef Stalin gebären.

Selbst diese Diktatoren konnten sich mit Jean-Jacques Rousseau für die Inkarnation und Repräsentation des Gemeinwillens halten. Nämlich die Geburt des totalitären sozialistischen Führers aus der Idee des „volonté générale“. Silvio Vietta erklärt: „Es gibt bei Rousseau keine wesentliche Differenz mehr zwischen Staat und Einzelbürger.“ Denn der Staat hat den Bürger sozusagen mit Haut und Haaren aufgesogen und zu einem Teilkörper seiner selbst umgewidmet. Wer aber dagegen protestiert, ist selbst nur Ausschuss des neuen totalitären Staates, der aus der Idee des „Gemeinwohls“ geboren ist.

Robespierre war ein arroganter Massenmörder

In der Französischen Revolution hat Robespierre mit Rousseau im Gepäck die Alleinherrschaft seiner Partei der Jakobiner und seiner selbst als deren Anführer begründet. Er, der „Tugendhafte“, sah sich ja selbst als Verkörperung des „Gemeinwillens“. Diesen glaubte er mit aller Macht und auch Terror nicht nur gegen den Adel und Klerus durchsetzen zu müssen. Sondern es waren davon auch alle politischen Feinde im Lande betroffen. Vor allem diese Moralanmaßung machte ihn zu einem so arroganten und selbstgerechten Massenmörder.

In Georg Büchners Drama „Dantons Tod“ nennt ihn Danton den „Policeysoldat des Himmels“. Mit Rousseau im Arm und im Kopf gebar dann später auch der Kommunismus-Sozialismus noch viele solche „Policeysoldaten des Himmels“. Diese begriffen die Partei als Ausdruck des Volkswillens und um willen der Wiederherstellung des paradiesischen – nämlich kommunistischen – Urzustand der Menschheit. Allerdings schickten sie millionenweise Menschen in die Hölle der Gefängnisse, Massengräber und in den Hungertod. Quelle: „Europas Werte“ von Silvio Vietta

Von Hans Klumbies