Jean Paul Sartre sagt über die Handlung eines Menschen folgendes: „Sie sind frei, wählen Sie, das heißt, erfinden Sie. Keinerlei allgemeine Moral kann Ihnen einen Hinweis geben, was zu tun ist.“ Jean Paul Sartre, der von 1905 bis 1980 lebte, war einer der einflussreichsten Denker des 20. Jahrhunderts. Was der Existenzialismus ist, lässt sich laut Rupert M. Scheule erstaunlicherweise recht präzise sagen. Es hat zu tun mit dem in Philosophie und Leben immer schon bekannten Unterschied zwischen Essenz und Existenz, zwischen dem Wesen und dem Sosein in einer bestimmten Situation. Eine Philosophie, die stark an der Kategorienlehre des Aristoteles geschult ist, würde sagen, dass sich aus der Essenz die Existenz ergebe und ergeben müsse. Rupert M. Scheule ist Professor für Moraltheologie und Christliche Sozialwissenschaft an der Theologischen Fakultät Fulda.
Der Mensch ist zur Freiheit verurteilt
Wie Menschen konkret sind, leben und handeln, hat Maß zu nehmen an dem, was sie ihrem Wesen nach sind. Existenzialist zu sein, bedeutet dagegen für Jean Paul Sartre die verdinglichte Sichtweise, dass die Existenz aus der Essenz folgt, hinter sich zu lassen und zu proklamieren: „Es ist die Existenz, die der Essenz vorausgeht! Nehmen wir zur Kenntnis, dass der Mensch erst existiert, auf sich trifft, in die Welt eintritt, und sich erst dann definiert.“ Da gibt es keine Idee, keinen Masterplan, kein metaphysisches Wesen, von dem er her existiert. Er findet sich in einer Situation vor.
Der Mensch muss sich in einer bestimmten Situation aus dem Nichts heraus erst entwerfen. Jean Paul Sartre erklärt: „Es muss sich und sein eigenes Wesen schaffen; indem er sich in die Welt wirft, in ihr leidet, in ihr kämpft, entwirft er sich allmählich. Der Mensch ist dazu verurteilt, frei zu sein.“ Denn niemand hat den Menschen gefragt, ob er diese Freiheit eigentlich haben will. Der Mensch ist gezwungenermaßen tatsächlich frei, weil er, einmal in die Welt geworfen, für all das verantwortlich ist, was er tut.
Sein Handeln verwirklicht einen Menschen
Jean Paul Sartre lässt neben dieser radialen Freiheit eigentlich gar nichts anderes gelten. Rupert M. Scheule erläutert: „Wir nutzen nicht die Freiheit zur Selbstverwirklichung. Wir verwirklichen nicht uns im Handeln, es ist umgekehrt: das Handeln verwirklicht uns. Also geht es beim Handeln immer um alles.“ Freiheit führt für Jean Paul Sartre immer zur Wirklichkeit oder zu gar nichts. Was ein Mensch macht, steht dann freilich da als unverrückbares Momentum seiner Freiheit. Es gibt eine Absolutheit der Fakten und keine andere sonst.
Beim Freisein können sich die Menschen nicht an irgendwelchen Zeichen orientieren, die die Welt ihnen zuschickt und die sie nur richtig wahrnehmen müssen, um zu erkennen, was sie tun sollen. Denn sie sind es, die frei sind, diese oder jene Interpretation der Zeichen zu wählen. Auch die Moral hilft den Menschen nicht weiter, weder eine christliche noch eine kantische. Dabei ist es nicht egal, wie sich ein Mensch in einer bestimmten Situation entscheidet, denn er wählt sich in seinem Tun. Indem er sich aber wählt, wähl er den Menschen. Quelle: „Wir Freiheitsmüden“ von Rupert M. Scheule
Von Hans Klumbies