Autorität gibt der Gesellschaft eine Struktur

Wer Macht hat, hat das Sagen. Diese Verbindung spiegelt sich laut Philipp Hübl in den Metaphern wider, mit denen man über Macht spricht. Wer „gehorcht“, der hört auf jemanden. Und wem etwas „gehört“, der hat Verfügungsgewalt darüber. Die etymologische und inhaltliche Nähe zwischen hören, gehören und gehorchen findet sich in vielen indogermanischen Sprachen. Nur wenn jemand Ansagen macht, hat eine arbeitsteilige Gruppe oder Gesellschaft eine Struktur. Genau das regelt das Prinzip der Autorität. Schon John Stuart Mill hat im Jahr 1859 festgestellt, dass neben Fortschritt auch Ordnung und Stabilität Grundbedürfnisse des Menschen sind. Mill zählte zu den Gründervätern des Liberalismus. Philipp Hübl ist Philosoph und Autor des Bestsellers „Folge dem weißen Kaninchen … in die Welt der Philosophie“ (2012).

Konservative sehnen sich stark nach Autorität

Die Menschen unterscheiden sich allerdings darin, wie wichtig ihnen Hierarchie ist, also Ordnung in vertikaler Rangfolge. Die Sehnsucht nach Autorität ist unter Konservativen stark und am rechten Rand extrem ausgeprägt. Aber auch die Linken und die Liberalen sind nicht immer frei davon. Ein alltägliches, aber tief greifendes Autoritätsmerkmal liegt in der Anrede mit Höflichkeitsformen. Beispielsweise in Sprachen wie dem Deutschen oder dem Französischen.

Die meisten Menschen siezen all jene, die horizontal entfernt sind, weil sie diejenigen nicht kennen. Und jene die vertikal entfernt sind, wenn sie in der Hierarchie über einem stehen. Im Großbürgertum war es bis in das 20. Jahrhundert hinein noch üblich, sich von seinen Kindern siezen zu lassen. Der Stellenwert von Autorität offenbart sich außerdem bei der Verwendung akademischer Titel. Im eher progressiven Milieu der Universitäten, wo fast jeder Lehrende Doktor oder Professor ist, wird die Anrede mit Titel allerdings immer seltener.

Rangordnungen stammen ursprünglich aus dem Militär

Außerhalb von Universitäten legen vor allem Konservative Wert auf Titel. Der Druck, auch akademisch einen hohen Rang zu bekleiden, ist unter Konservativen größer als unter Progressiven. In klassischen Berufen wie im Bankwesen, in Großkanzleien, Konzernen und der Bürokratie ist Autorität durch etliche Hierarchieebenen geregelt. Diese sind notwendig, damit das Kollektiv entscheidungsfähig bleibt. Allerdings ist die Rangordnung oft so dicht geschichtet, dass sie von außen völlig intransparent ist.

Die Grundidee der klaren Rangordnung stammt ursprünglich aus dem Militär. Diese ist kulturgeschichtlich älter als diejenige der Konzerne und Krankenhäuser. Auch hier finden sich etliche Hierarchieebenen. Konservative legen in der Regel mehr Wert auf Hierarchien als Progressive. So überrascht es Philipp Hübl wenig, dass die moralischen Prinzipien bei der Einschätzung angesehener Berufe ebenfalls durchschlagen. In einer Studie aus den USA sind Konservative von Polizisten und Soldaten beeindruck. Also von Berufen die Status und Macht ausstrahlen. Quelle: „Die aufgeregte Gesellschaft“ von Philipp Hübl

Von Hans Klumbies