Mut ist eine Form der Selbstüberwindung

Das neue Philosophie Magazin 06/2022 gibt in seinem Titelthema Antworten auf die Frage, was es heutzutage bedeutet, mutig zu sein. Chefredakteurin Svenja Flaßpöhler vertritt die Meinung, dass die Existenz an sich schon Mut erfordert: „Zumindest dann, wenn man sie nach eigenen Vorstellungen leben will.“ Wer mutig ist, wagt ganz neue Wege zu gehen, utopisch zu denken, anstatt mutlos vermeintliche Sachzwänge abzunicken. Wer mutig handelt, weiß nicht wie die Sache ausgeht. Viel kann auf dem Spiel stehen: Glück, soziales Ansehen, sogar das Leben. Friedrich Weißbach, der seit 2020 politische Theorie an der Humboldt-Universität zu Berlin lehrt, schreibt: „Mut ist die treibende Kraft, mit unliebsamen Umständen aufzuräumen, Veränderungen voranzubringen und einen Neufanfang zu machen.“ Demokrit sagt: „Mut steht am Anfang des Handelns, Glück am Ende.“

Die Weisheit existierte schon vor der Philosophie

Mut wird ganz allgemein als eine Form der Selbstüberwindung begriffen. Der Mutige springt über seinen eigenen Schatten, überwindet die eigenen Ängste und wächst über sich hinaus. Der Kern des Mutes ist eine individuelle empfundene Grenze. Daher erweist sich Mut als ein wesentlich subjektives Phänomen. Zugleich ist Mut auch immer ein Ausdruck von Freiheit. Denn wer etwas wagt, trifft eine Wahl für etwas und gegen die eigenen, oft fesselnden Ängste.

Der Philosoph Gerd Scobel führt ein Gespräch mit der Kulturwissenschaftlerin Aleida Assmann und dem Philosophen Michael Hampe über Weisheit. Aleida Assmann weist darauf hin, dass man in allen Kulturen das Wort „Weisheit“ wählt, um das wertvollste Schrifttum, das man hat, zu kennzeichnen. Für Michael Hampe ist der Weisheitsbegriff älter als der Philosophiebegriff. Pythagoras soll den Philosophiebegriff erfunden und dabei den Weisheitsbegriff schon vorgefunden haben. Es gab in Griechenland Sammlungen von Spruchweisheiten. Und die, die diese Spruchweisheiten verfasst haben, waren nicht Philosophen, sondern beispielsweise Gesetzgeber wie Solon.

Das Buch des Monats hat diesmal Emanuele Coccia geschrieben

Die Rubrik „Klassiker“ ist diesmal dem Philosophen, Anthropologen und Technikkritiker Günther Anders (1902 – 1992) gewidmet. Für ihn war Philosophie nicht nur sein Beruf – er lebte sie mit seinem ganzen Wesen. Bestimmend wurden für ihn sowohl seine kompromisslosen Moralvorstellungen als auch das Gefühl tiefer Hoffnungslosigkeit angesichts des naiven Fortschrittsglaubens seiner Zeit. Diesem stand er ebenso kritisch gegenüber, wie der Philosophie in ihrem akademischen Rahmen.

Das Buch des Monats trägt den Titel „Das Zuhause. Philosophie eines scheinbar vertrauten Ortes“. Der Philosoph Emanuele Coccia erkundet darin das Zuhause und lässt dabei Materie und Leben, Subjekte und Objekte ineinanderfließen. Seine Korrektur am anthropozentrischen Weltbild stimmt skeptisch. Diese Philosophie des Lebens betört mehr, als sie begründet. Sie findet unzählige Kennzeichnungen des Zuhauses. Diese erscheinen wie sprachliche Sternschnuppen und enthalten immer kleine Weisheitsfunken.

Von Hans Klumbies