Die Lebensschule lehrt den Umgang mit dem Schicksal

Das erste Hauptfach der Lebensschule lehrt den Umgang mit der Welt, dem Schicksal, dem Geschick. Albert Kitzler erläutert: „Damit ist alles gemeint, was mehr oder weniger über uns hereinbricht. Und was wir entweder überhaupt nicht oder nur zum Teil beeinflussen können. Dazu zählen auch Bedingungen, in die wir hineingeworfen sind, ohne etwas dafür zu können.“ Albert Kitzler nennt als Beispiele die Gene, Eltern, Geschwister, Verwandte, Lehrer, sowie die Stadt und das Land, wo ein Mensch geboren wurde und wo er aufwächst. Ferner Schicksalsschläge wie der Tod nahe stehender Personen, schwere Erkrankungen oder Verletzungen, Trennung vom langjährigen Partner oder der Verlust des Arbeitsplatzes. Der Philosoph und Jurist Dr. Albert Kitzler ist Gründer und Leiter von „MASS UND MITTE“ – Schule für antike Lebensweisheit.

Ein Tiefschlag mag auch seine guten Seiten haben

Schließlich gehören dazu die kleinen und größeren Missgeschicke des Alltags wie die Absage einer Reise, ein verregneter Urlaub, schlechte Geschäfte, Schäden an Hab und Gut und anderes mehr. All das bereitet den Menschen in der Regel Ärger, Kummer, Sorgen, Ängste. Es führt zu persönlichen Krisen bis hin zu Trauer, Niedergeschlagenheit und Depression. Bisweilen mag ein solcher Tiefschlag auch seine guten Seiten haben und etwas Positives bewirken.

Wer jedoch weitgehend von solch heftigen Erschütterungen verschont bleibt, sie gelassen ertragen kann oder in angemessener Zeit verarbeitet und über sie hinwegkommt, kann sich glücklich schätzen und wird auch so von seinen Mitmenschen wahrgenommen. Wer diese Fähigkeiten besitzt, hat bereits entscheidende Weichen in Richtung auf ein gelingendes Leben gestellt. So verwundert es nicht, dass sich Seneca sehr intensiv mit diesen Fragen beschäftigt hat. Er steht hier in der Tradition der stoischen Philosophie.

Der Weise ist dem Schicksal gegenüber unerschütterlich

Das Ideal der Stoiker bestand in der Vorstellung von der Unerschütterlichkeit des Weisen. Darin findet Albert Kitzler unschwer den heutigen Modebegriff der Resilienz wieder. Das ist die Fähigkeit, nach einer emotionalen Erschütterung schnell wieder in eine ausgeglichene Seelenverfassung zurückzufinden. Seneca umschreibt den Zusammenhang von Philosophie und Schicksal, Lebensbewältigung und Unerschütterlichkeit so: „Die Philosophie muss unsere Schutzwehr bilden. Diese uneinnehmbare Mauer, die durch das Schicksal nicht überwältigt wird, trotz aller kunstvollen Angriffsmittel.“

Seneca fährt fort: „Jedem Ansturm gewachsen ist die Seele, die auf alles Äußere verzichtet hat und in ihrer Burg sich zur Wehr setzt. Kein Geschoss kann bis zu ihrer Höhe dringen. Das Schicksal hat keine langen Arme, wie viele glauben. Es überwältigt keinen, der sich nicht an es anklammert.“ Darum soll man so viel wie möglich seiner Nähe ausweichen. Das ist eine Leistung, die nur möglich ist aufgrund der Kenntnis einerseits des eigenen Innern, andererseits der Natur. Seneca schreibt: „Der Mensch soll wissen, wohin er seinen Weg zu richten hat, woher er gekommen, was für ihn gut sei, was übel, was zu erstreben, was zu meiden, was es mit jener Vernunft auf sich habe, die den Unterschied bestimmt zwischen dem Begehrenswerten und dem Verwerflichen, die die Raserei der Begierden beschwichtigt und dem Grauen vor den Schrecknissen wehrt.“ Quelle: „Leben lernen – ein Leben lang“ von Albert Kitzler

Von Hans Klumbies