Die Globalisierung ist eine permanente Revolution

In den letzten Jahren hat der Begriff der Globalisierung im internationalen Diskurs einiges von seinem Sex-Appeal eingebüßt. Vielleicht hat die große Finanzkrise von 2008 die Grundannahmen der Globalisierung erschüttert. Oder man hat einen öffentlichen Diskurs satt, der die optimistischen Vorhersagen von der angeblich irreversiblen, technologiegetriebenen Globalisierung feiert, deren dunkle Seiten gefährlich herunterspielt. Nadav Eyal vertritt dennoch folgende These: „Aber die schwankende Beliebtheit des Begriffs ändert nichts an der unzweideutigen Wahrheit: Die Globalisierung ist eine permanente Revolution.“ Dieser alte kommunistische Begriff der Revolution verdeutlicht die Aggressivität, mit der die Digitalisierung die Gegenwart dauerhaft und intensiv verändert. In ihrem Rahmen wird das menschliche Leben materiell und ideell von der Auseinandersetzung mit der Welt als Ganzer diktiert. Nadav Eyal ist einer der bekanntesten Journalisten Israels.

Die Globalisierung verspricht die Vernichtung der Armut

Indem die Globalisierung voranschreitet, ändert sich die Realität ständig radikal. Sie ist ein politisches Perpetuum mobile. Angetrieben zwischen der Spannung zwischen dem Lokalen und Globalen und ihrerseits stets Wandel auslösend. Jede Beschleunigung oder Rückwärtsbewegung der Globalisierung beeinflusst die Realität in aller Welt und wird sie auch in absehbarer Zeit bestimmen. Eigentlich ist das ein uraltes Phänomen. Die Globalisierung und ihre Werte beschäftigen die Geistesgeschichte seit den Zeiten der antiken Imperien Chinas und Roms bis in die Gegenwart.

Aktuell definieren immer mehr Staatsführer und politische Verbände entscheidende Bereiche ihrer Politik durch ihr negatives oder positives Verhältnis zur Globalisierung. Dies zeugt von der zentralen Bedeutung dieser politischen Frage. Nadav Eyal fügt hinzu: „Mehr noch: Man benutzt die Globalisierung als historische Erklärung, ökonomische Ausrede oder kulturelles Argument.“ Für Ökonomen des Mainstreams verspricht sie aktuell die Vernichtung der Armut. Für französische Bauern dagegen ist sie ein Fluch, der ihre Gemeinschaft und gelegentlich sogar ihre Lebensgrundlage zu zerstören droht.

Die Globalisierung ist allumfassend

Die Ausbreitung einer Grippeepidemie oder der Wettbewerb auf dem Smartphone-Markt in Asien lässt sich ohne ein gewisses Grundwissen in Sachen Globalisierung nicht begreifen. Das Phänomen ist so allumfassend, dass es inzwischen beinahe alles oder nichts besagt. Es mutiert zum entleerten Klischee. Doch im engeren Sinne ist der Begriff klar. Der britische Politikwissenschaftler David Held definierte ihn folgendermaßen: „Globalisierung ist eine immer umfassendere, immer tiefere und schnellere Vernetzung von Staaten, Kulturen und Individuen.“

Das Ergebnis ist eine zunehmende Integration durch den Welthandel. Dieser verlangt und schafft einen freien Fluss von Kapital, Arbeit, Wissen, Kultur und Technologie. In den Industriestaaten ist jeder Mensch ein wandelnder Atlas. Jeder trägt Dinge am Leib, die in Design und Herstellung vielen Ländern und mehreren Kontinenten entstammen. Am Körper trägt er die Dramen und Chancen ferner Orte, von Menschen, die er nie kennenlernen wird. Und Chancen sind äußerst wichtig. Die bedeutendste Nachricht unserer Epoche ist die, dass seit den Daten der Weltbank seit 1990 rund 1,1 Milliarden Menschen den Ketten absoluter Armut entkommen sind. Quelle: „Revolte“ von Nadav Eyal

Von Hans Klumbies