Die Evolution hat kein Ziel und dient keinem Zweck

Zeit ist der eine Faktor der Evolution. Der andere ist, kein Ziel zu haben und keinem Zweck zu dienen. Ein grundsätzliches Missverständnis über die Evolution geht von der Vorstellung aus, diese laufe gleichsam zwanghaft stets auf das Leben höherer Wesen oder sogar auf den Menschen hinaus. Matthias Glaubrecht erklärt: „Doch Evolution ist ein sich selbst organisierender und kontingent, also zufällig auf einmalige Weise so und nicht anders, ablaufender Naturprozess.“ Ist der Mensch also ein Glücksfall? Wie sähe die Erde ohne die Menschen aus? Man kann immer fragen, ob Geschichte auch ganz anders verlaufen hätte können. Intuitiv würde man sagen: Ja, natürlich hätte es auch anders kommen können. Schnell gelangt man dabei zu der Frage, ob der Mensch seine Existenz dem Zufall verdankt oder ob sein Schicksal vorgezeichnet ist. Matthias Glaubrecht ist Evolutionsbiologe, Systematiker und Wissenschaftshistoriker.

Ist der Mensch nur eine Laune der Natur?

Viele Biologen denken heute über die Frage nach, ob Evolution vorherbestimmt und vorhersagbar ist. Dann sind sofort die alten Deutungen der Natur und Charles Darwins Dämonen von Zufall oder Notwendigkeit wieder da. Manche fragen, ob die Evolution den Menschen als Krone der Schöpfung nicht zwangsläufig hervorbringen musste. Sobald es um die Evolution geht, macht sich der Mensch immer wieder selbst zum Bezugspunkt: „Sind wir als vernunftbegabter nackter Affe nur eine Laune der Natur?“

Der Sache an sich nützt dieser zwanghafte Selbstbezug wenig, der allgemeinen Aufmerksamkeit dagegen schon. Die Biologen heute interessiert allgemein die Frage nach Zufall oder Notwendigkeit, nach Wahrscheinlichkeit, Vorbestimmung und Vorhersagbarkeit der Evolution. Sie kreisen um wichtige evolutionäre Themenkomplexe. Zum einen geht es um Konvergenz versus Kontingenz. Viele Biologen beschreiben die Wege der Evolution als verschlungen und nicht vorhersagbar. Daher bezweifeln sie, dass sich die heutigen Organismen einschließlich des Menschen erneut entwickeln würden.

Der Mensch ist ein einmaliges Ereignis der Evolution

Zu sehr sei ihrer Meinung nach das Leben zufallsbestimmt und die Evolution eben auf einmalige Weise kontingent. Matthias Glaubrecht erläutert: „Wir können sicher sein, dass der Mensch seine Existenz höchst unwahrscheinlichen und einmaligen Ereignissen verdankt. Bei der Evolution würfelt die Natur wild.“ Deterministen unter den Biologen sind dagegen überzeugt, dass sich bestimmte Muster wiederholen und das Endergebnis daher fast immer genau gleich ist. Tatsächlich gibt es sehr wohl Regeln und Regelmäßigkeiten.

Und es häufen sich neuerdings die Hinweise darauf, dass bei einzelnen Tier- und Pflanzenarten ähnliche Umweltbedingungen zu ähnlichen Anpassungen führen. Dadurch habe sich die Evolution mehrfach wiederholt und sei sogar vorhersagbar, behaupten einige Zoologen. Die Evolution ist ihrer Meinung nach weniger verschlungen und unbestimmt als bislang angenommen, weil die Natur wiederholt ähnliche evolutionäre Pfade beschreitet. Dennoch ist Matthias Glaubrecht davon überzeugt, dass der Mensch ein einmaliges und unwahrscheinliches Ereignis der Evolution ist. Quelle: „Das Ende der Evolution“ von Matthias Glaubrecht

Von Hans Klumbies