Das sogenannte Wahrheitsargument nimmt seinen Ausgang von der Beobachtung, dass ein Mensch das, was er für wirklich hält, in Sätzen ausdrücken kann. Markus Gabriel ergänzt: „Sätze, mit deren Äußerung wir beanspruchen festzustellen, was der Fall ist, können wir als Aussagen bezeichnen. Aussagen sind entweder wahr oder falsch.“ Sie sind jedenfalls etwas, bei dem das Wahrsein überhaupt infrage kommt. Eine Disjunktion ist dabei eine Aussage der Form, dass etwas oder etwas anderes der Fall ist. Wenn etwas wahr ist, kann man diese Wahrheit durch etwas ergänzen, bei dem es keine Rolle spielt, ob es auch wahr ist. Seit 2009 hat Markus Gabriel den Lehrstuhl für Erkenntnistheorie und Philosophie der Neuzeit an der Universität Bonn inne und ist dort Direktor des Internationalen Zentrums für Philosophie.
Aussagen handeln von der objektiven Wirklichkeit
Die Wahrheit von Aussagen besteht nun letztlich in nichts weiter als in einer Verbindung zwischen Aussagen und demjenigen, wovon sie handeln. Markus Gabriel erklärt: „Nennen wir das, wovon Aussagen handeln, die nicht ihrerseits von Aussagen handeln, die objektive Wirklichkeit.“ Wenn die Aussagen wahr sind, dann verhält es sich so, wie sie sagen. Ansonsten sind sie falsch. Ein Teil der heutigen Wahrheitstheorie ist der sogenannte Minimalismus.
Der Minimalismus meint, dass Aussagenwahrheit lediglich darin besteht, dass einige wenige, leicht nachvollziehbare Prinzipien für Wahrheit gelten und festlegen, worin Aussagenwahrheit besteht. Insbesondere gilt das folgende, als „Disquotionsprinzip“ (DQ) geläufige Prinzip. Philosophiestudenten lernen es seit Jahrzehnten verbunden mit dem Slogan: „Die Aussage „Schnee ist weiß“ ist dann und nur dann wahr, wenn Schnee weiß ist.“ Allgemeiner formuliert gilt. „(DQ) „p“ ist wahr genau dann, wenn p.“
Menschen teilen unendlich viele Annahmen
Markus Gabriel kritisiert: „Alle konstruktivistischen Manöver haben einen gemeinsamen Nenner: Sie nehmen allgemein für wahr gehaltene Aussagen nicht beim Wort. Anstatt anzuerkennen, dass in China Menschen leben oder dass alle Menschen vor dem Gesetz gleich gelten (sollten), wird die Wahrheit dieser Aussagen anders konstruiert.“ Die Antwort des Konstruktivismus ist eine unbequeme Alternative: „Entweder wir müssen schier unendlich vieles, was wir für wahr halten, von nun an für falsch halten. Oder aber wir müssen es zumindest völlig anders verstehen, als wir es bisher tun.“
Ein Mensch kann sich mit anderen nur auf der Grundlage der weitgehend bestätigten und wahren Annahme unterhalten, dass sie eine gemeinsame Basis an Überzeugungen teilen. Mit allen, mit denen sich ein Mensch unterhält, teilt er unendlich viele Annahmen. Sonst würde buchstäblich keine Kommunikation stattfinden. Jede Meinungsverschiedenheit in einer noch so wichtigen Angelegenheit setzt demnach voraus, dass es ein geteiltes Meinungssystem gibt. Quelle: „Der Sinn des Denkens“ von Markus Gabriel
Von Hans Klumbies