In Deutschland herrscht eine geringe Chancengleichheit

Die Ungleichheit bei den Markteinkommen in Europa zählt hierzulande zu den höchsten und ist fast so hoch wie in den USA. Das reflektiert eine geringe Chancengleichheit und damit auch eine niedrige soziale Mobilität. Marcel Fratzscher weiß: „Das liegt darin begründet, dass das Einkommen der Spitzenverdiener überwiegend aus Unternehmensbesitz resultiert. Fast 80 Prozent dieser Unternehmen befinden sich in der Hand von Familien.“ Diese können ihren Besitz dank großzügiger Ausnahmeregelungen der Erbschaftssteuer fast steuerfrei an die nächste Generation weitergeben. Zum anderen sind die zu geringe Qualität und die fehlende Inklusion innerhalb des Bildungssystems eine Ursache dafür. In Deutschland hängen die Bildungs- und Berufschancen nur sehr begrenzt von den Talenten und Fähigkeiten der jungen Menschen, sondern viel mehr von Einkommen und Bildungsgrad ihrer Eltern ab. Marcel Fratzscher ist Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) und Professor für Makroökonomie an der Humboldt-Universität zu Berlin.

In den USA sind die Unterschiede im Bildungssystem enorm

Rund 74 Prozent der Nachkommen aus akademischen Haushalten besuchen eine Universität, jedoch nur circa 21 Prozent aus Nichtakademikerhaushalten. In den ersten Lebensjahren, sogar schon im ersten Lebensjahr eines Kindes, werden heutzutage die Weichen gestellt für dessen Zukunft. In vielen Teilen der USA, in Japan oder in China manifestiert sich dies bereits heute in einem harten Wettbewerb der Eltern um den Zugang zu den besten Kindergärten, Schulen und Hochschulen.

Marcel Fratzscher fügt hinzu: „In den USA sind die Unterschiede im Bildungssystem enorm. Eltern wählen nicht selten ihren Wohnort nach der Qualität des örtlichen Schulsystems. Kinder im Alter von fünf Jahren müssen harte Aufnahmeprüfungen bestehen, um auf die besten Schulen zu kommen.“ Im Alter von etwa 17 Jahren steht der nächste gnadenlose Wettbewerb an: die Bewerbung um die besten Universitäten. Die Aufnahme in eine der sogenannten Ivy-League-Universitäten garantiert den Absolventen einen guten Berufseinstieg mit hohem Gehalt.

In weiten Teilen ist das Studium in Deutschland noch kostenlos

Selbst talentierte Jugendliche haben aber wenig Chancen auf eine gute Universität, wenn sie von schlechten Schulen kommen. Zudem beschränken die enorm hohen Studiengebühren selbst an staatlichen Hochschulen die Möglichkeiten für Jugendliche aus einkommensschwachen Familien. Deutschland ist zwar noch weit entfernt von einem so polarisierenden Bildungssystem. In weiten Teilen ist das Studium hierzulande noch kostenlos.

Und auch dort, wo man Gebühren erhebt, sind sie deutlich geringer als in den USA. Doch auch in Deutschland hängt der Bildungsabschluss eben stark vom Bildungsgrad und Einkommen der Eltern ab. Marcel Fratzscher stellt fest: „Die Unterschiede im Bildungssystem zwischen Regionen, Bundesländern und auch Bezirken sind riesig geworden. Bildungsinvestitionen werden zu häufig per Gießkannenprinzip verteilt und nicht nach den Bedürfnissen einzelner Schulen und Kinder und Jugendlichen.“ Quelle: „Geld oder Leben“ von Marcel Fratzscher

Von Hans Klumbies