Egoismus macht nicht glücklich! Diese Erkenntnis ist umso bedeutender, da die Wissenschaft eine eindeutige Zunahme egoistischer Tendenzen in der heutigen Zeit feststellt. Manfred Spitzer erläutert: „Wenn also die Menschen sich selbst mehr in den Mittelpunkt ihres Handelns stellen und wenige für andere tun, dann muss dies auf weniger Glück und mehr Einsamkeit hinauslaufen.“ Nicht nur objektive soziale Isolation, sondern auch das Erleben von Einsamkeit verhindert prosoziale Handlungen und damit Erlebnisse des Glücks. Manfred Spitzer formuliert dies folgendermaßen: „Weil Menschen Gemeinschaftswesen sind, bereitet ihnen Einsamkeit Stress und Gemeinschaft Freude.“ Daher führen entsprechende Handlungen, die auf mehr Gemeinschaft hinauslaufen, zu größerem Wohlbefinden. Neurobiologische Befunde zeigen klar, dass die Einsamkeit eines anderen bei einem Kameraden oder Freund Schmerzen hervorruft und bei ihm soziales Handeln bewirkt. Prof. Dr. Dr. Manfred Spitzer leitet die Psychiatrische Universitätsklinik in Ulm und das Transferzentrum für Neurowissenschaften und Lernen.
Schon Kleinkinder teilen mit Freude
Das soziale Handeln führt zur Aktivierung des Belohnungssystems und damit zu positiven Emotionen. Bei eine wissenschaftlichen Studie ergab sich, dass sowohl das Geben als auch das Erhalten von sozialer Unterstützung mit einer positiven psychologischen Gesamtsituation des jeweiligen Probanden in Zusammenhang stehen. Sogar bei Kindern im Alter von unter zwei Jahren ließ sich zeigen, dass diese mehr Freude daran haben, wenn Süßigkeiten anderen Kindern gegeben werden, als wenn diese ihnen selbst gegeben werden.
Kinder mögen tatsächlich schon gerne von dem abgeben, was sie selbst haben. Diese Tendenz nimmt dann im Laufe des Lebens dann zunächst weiter zu. Daten aus der Entwicklungspsychologie, die bei Versuchen mit 8- bis 16-Jährigen gewonnen wurden, zeigen, dass diese ein stärkeres helfendes Verhalten aufweisen als jüngere Erwachsene. Sie lernen zudem prosoziales Verhalten vergleichsweise rasch am Modell. Im jüngeren Erwachsenenalter sind die Menschen mit der Fortpflanzung und den eigenen Kindern beschäftigt, weswegen ihre Bemühungen für Fremde in dieser Phase geringer sind.
Geben und Helfen durchbrechen den Kreislauf der Isolation
Je älter die Erwachsenen dann werden, desto mehr nimmt prosoziales Verhalten wieder zu. Manfred Spitzer fasst zusammen: „Menschen haben von klein auf eine Tendenz zum Geben, was ihr Gemeinschaftsleben fördert. Geben macht ihnen Freude und stärkt gemeinschaftliches Handeln. Es resultiert ein positiver Kreislauf von Freude und Gemeinschaft.“ Auf der anderen Seite bilden Einsamkeit, Selbstunsicherheit, depressive Stimmung und sozialer Rückzug in ähnlicher Weise einen negativen Kreislauf von Leid und sozialer Isolation.
„Allein mit dem Kopf“, also mit viel Willenskraft und Anstrengung sind solche Spiralen nur sehr schwer und mit geringen Erfolgsaussichten zu durchbrechen. Daher kommt kleinen Handlungen im Alltag eine große Bedeutung zu. Aus vielen solchen kleinen Handlungen können eine Abschwächung des negativen Kreislaufs und eine Förderung des positiven Zirkels resultieren. Das Geben ist für Manfred Spitzer eine solche Handlung. Noch besser, weil meist unmittelbar mit Kontakt verbunden, ist das Helfen. Quelle: „Einsamkeit“ von Manfred Spitzer
Von Hans Klumbies