Tauben unterscheiden charakteristische Merkmale

In seiner Doktorarbeit hat Ludwig Huber Versuche mit Tauben beschrieben, die Kategorisierungen mithilfe von Wahrnehmungskonzepten vornehmen. Er konnte zeigen, dass diese Vögel sehr schnell komplexe Reizklassen nach von ihm vorgegebenen Kriterien unterscheiden und nach den von ihm festgelegten Kategorisierungsregeln einordnen konnten. Wie Ludwig Huber mit vielen weiteren Versuchen mit Tauben zeigen konnte, verfügen diese über mehrere Möglichkeiten der Klassenbildung. Merkmalslernen ist nur eine davon. Daneben können sie auch prototypisch vorgehen, aber im Notfall auf exemplarisch, indem sie sich viele Exemplare einer Reizklasse merken. Wichtig dabei ist, dass sie die charakteristischen Merkmale von den unwesentlichen unterscheiden können. Das grundlegende Prinzip ist also die Abstraktion von unwichtigen Reizmerkmalen. Ludwig Huber ist Professor und Leiter des interdisziplinären Messerli Forschungsinstituts für Mensch-Tier-Beziehungen an der Veterinärmedizinischen Universität Wien.

Auch Tiere komprimieren Informationen

Die Kategorisierung sieht man nicht unbegründet als Grundlage der Kognition an. Nämlich als einen Prozess, durch den das Individuum Objekten oder Ereignissen eine Bedeutung zuweist, indem es sie als Äquivalente behandelt. Ludwig Huber erklärt: „Die drastische Informationsverminderung ist ein Grundprinzip der kognitiven Ökonomie und daher im Tierreich weit verbreitet.“ Dennoch variieren die spezifischen Lösungen, die eine Vielzahl von Tierarten finden, um die Menge der zu speichernden Informationen zu komprimieren, auf verschiedenen Ebenen.

Um sich angemessen zu verhalten, braucht ein Tier eine Beschreibung der Reize in jeder Umgebung, die zu einer geringen Variation der Signale für bedeutsame Verhaltensfolgen führt. Irgendwann muss das Tier bestimmte Aspekte der Erfahrung auswählen, um sie als Grundlage für die Beurteilung von Gruppierungen und Aufspaltung zu verwenden. Dann muss es ein Gleichgewicht zwischen den beiden Arten von Prozessen finden. Unterschiedliche Anlässe erfordern unterschiedliche Beschreibungen und unterschiedliche Dimensionen der Invarianz.

Menschenaffen und Graupapageien stellen Analogien her

Ludwig Huber erläutert: „Kategorien sind weder rein wahrnehmungsbasiert noch rein funktional, sondern beides. Kategorisierungsaufgaben werden gemeinsam durch die physikalische Variation der Reize und die Folgen des Verhaltens bestimmt.“ Die verfügbaren Belege deuten darauf hin, dass die natürliche Selektion die Tiere mit erheblichen Anpassungen ausgestattet hat, um mit dem Kategorisierungsproblem in diesem Sinne umzugehen. Tiere können auf recht unterschiedliche Arten und Weisen Reizklassen repräsentieren beziehungsweise kodieren.

Sie verfügen über bildliche, assoziative, funktionale, abstrakte, analoge und symbolische Fähigkeiten. Ein wesentliches Kriterium für die Kategorisierung ist die Herstellung von Verbindungen. Das geschieht nicht nur zwischen Reizelementen, sondern auch zwischen Mitgliedern einer Klasse. Die fortgeschrittenste Form basiert auf der Herstellung von Beziehungen zwischen den Beziehungen: Analogien. Viele bisher getestete Tiere sind an solchen Aufgaben gescheitert, aber Menschenaffen und Graupapageien waren erfolgreich, wenn sie zuvor ein entsprechendes Training erhielten. Dabei setzten sie besonders effiziente Formen des assoziativen Lernens ein. Quelle: „Das rationale Tier“ von Ludwig Huber

Von Hans Klumbies