Nur der Mensch produziert Abfall

Der Abfall ist eine Sache des Menschen. Die Natur kennt keinen Abfall. Konrad Paul Liessmann erläutert: „Was im Kreislauf der Natur entsteht und vergeht, wird in diesen immer wieder eingespeist und verwandelt. Es ändert seine Gestalt, Form und Funktion, aber wird nicht als Abfall entsorgt.“ Nur der Mensch produziert Abfall. Nur aus der Perspektive des Menschen erscheinen bestimmte Dinge als Abfall. Für den Menschen gibt es drei Arten von Dingen: dauerhafte, vergängliche und den Abfall. Abfall ist all das, was eigentlich aus dem Blickfeld der Menschen entfernt werden soll. Abfall ist das, was noch da ist, aber schon weg sein sollte. Prof. Dr. Konrad Paul Liessmann ist Professor für Methoden der Vermittlung von Philosophie und Ethik an der Universität Wien und wissenschaftlicher Leiter des Philosophicum Lech.

Abfall ist nicht gleich Abfall

Abfall nehmen Menschen nur als Abfall wahr, wenn er sich am falschen Ort befindet: Schmutz in der Küche, Müll auf der Straße, Plastikrückstände in einem Fluss. Konrad Paul Liessmann schreibt: „Der Abfall am falschen Ort, noch sichtbar, obwohl er eigentlich schon beseitigt worden sein sollte, entsetzt uns. Kaum ist er unsichtbar geworden, existiert er auch nicht mehr.“ Wenn alles an seinem richtigen Platz steht, gibt es keinen Abfall. Der Mensch produziert den Abfall, weil er generell ein produzierendes Wesen ist.

Der Mensch wurde zum Menschen, indem er anfing, seine natürliche Umgebung zu bearbeiten und Dinge herzustellen. Diese benötigte er zu einem besseren Leben. Bei dieser Herstellung von Dingen entstehen immer mehrere Arten von Abfällen. Denn Abfall ist nicht gleich Abfall. Abfall entsteht bei jedem Produktionsprozess. Um Dinge herzustellen, muss man Verfahren, Methoden und Hilfen entwickeln. Diese hinterlassen etwas, das man selbst nicht braucht und letztlich einen Abfall im Wortsinn darstellt.

Alles muss verpackt sein

Abfall entsteht aber nicht nur bei der Herstellung der Dinge, sondern auch bei deren Gebrauch. Vor allem in modernen Zeiten aber, die durch einen ungeheuren Zuwachs an Mobilität für Menschen und Dinge gekennzeichnet sind, entsteht eine besondere Form des Abfalls. Und zwar durch den Transport der Güter und die damit verbundenen Bequemlichkeitserwartungen der Konsumenten: Alles muss verpackt sein. Und in dem Maße, in dem Waren im Überfluss des Angebots auffallen müssen, nimmt der materielle und gestalterische Aufwand für Verpackungen zu.

Verpackungen sind aber ihrer Bestimmung nach prädestinierter Abfall. Ihr Sinn ist erfüllt, wenn sie geöffnet und, nun funktionslos geworden, zur Entsorgung anstehen. Konrad Paul Liessmann kritisiert: „Je aufwendiger, raffinierter, umfassender und allgegenwärtiger die Verpackungen geworden sind, desto mehr Abfall wird durch das Verschweißen und Verkleben schon produziert.“ Denn Verpackungen sind für nichts anderes mehr verwendbar. Und je mehr Kunststoffe und Metalle in die Verpackungsmaterialien einfließen, desto problematischer und aufwendiger wird auch die Entsorgung oder Wiederverwendung dieses besonderen Abfalls. Quelle: „Bildung als Provokation“ von Konrad Paul Liessmann

Von Hans Klumbies