Viele Mitarbeiter sind mittlerweile nur noch frustriert und genervt vom Konferenz-Wahnsinn, der sich jeden Tag in den Unternehmen mehr ausbreitet. Dabei haben Organisationsexperten festgestellt, dass es oft sinnvoller ist, wenn sich Menschen ungestört in ihrem Büro ihre Gedanken machen. Beim großen Palaver in den Konferenzen treffen sich Selbstdarsteller, Zeitdiebe, Schweiger und Nörgler. Bei diesen Treffen fühlen sie sich wichtig, wobei sie andere Teilnehmer meist noch nerven. Und das, obwohl inzwischen wissenschaftlich belegt ist, dass die meisten Meetings schlicht überflüssig sind. Die meisten Konferenzen sind sogar eine einzige Katastrophe. Angestellte, die in der Regel gut bezahlt werden, sitzen ohne Plan in einer großen Runde herum. In den seltensten Fällen werden die Treffen gut vorbereitet, niemand moderiert strittige Fragen, keiner wagt es, eine Entscheidung zu fällen.
In Deutschland verbringen Mitarbeiter sechs Stunde pro Woche in Meetings
In den meisten Sitzungen wird grundsätzlich zu viel geredet, reihum gemeckert und Kämpfe um die Macht ausgefochten. Sollte einer der Teilnehmer ausnahmsweise wirklich eine gute Idee haben, wird sie solange zerpflückt, bis nichts mehr von ihr übrig bleibt. Während der Meetings bleibt die eigentliche Arbeit der Angestellten liegen. Konferenzen sind Orte, in die viele hineingehen und wenig herauskommt. Dennoch folgt eine Besprechung auf die andere. Obwohl jeder weiß, der eine solche Sitzung schon einmal erlebt hat, dass es schrecklich wird, wenn mehr als zehn Arbeitskollegen länger als eine Stunde in einem Raum sitzen.
Millionen von Büroangestellten stecken auf der ganzen Welt Tag für Tag in Konferenzen fest. Eva-Maria Schulte, Arbeitspsychologin an der Technischen Universität Braunschweig, erklärt: „In Deutschland verbringen Mitarbeiter durchschnittlich rund sechs Stunden in 4,2 Meetings pro Woche.“ Spitzenmanager verbringen sogar bis zu 90 Prozent ihrer Arbeitszeit in Konferenzen. Das mittlere Management verbringt immer noch rund 60 Prozent ihres Büroalltags in Besprechungen.
Konferenzen habe für die Angestellten auch ein sozialpsychologische Funktion
Die gleiche Manager, die von einer Konferenz zu nächsten jagen, geben paradoxerweise aber zu, dass viele Treffen mit Kollegen weder für sie persönlich noch für die Firma einen besonderen Wert hätten. Rund fünfzig Prozent der Meetings in deutschen Unternehmen sind unproduktiv, wenn nicht sogar überflüssig. Je größer Konzerne sind, desto politischer, lähmender und ritualisierter werden die Konferenzen. Nach einem Meeting fühlen sich nur zehn Prozent der Teilnehmer besser, während dreißig Prozent mit einem schlechten Gefühl die Runde verlassen.
Felix Brodbeck, Wirtschafts- und Organisationspsychologe an der LMU München, erläutert die sozialpsychologische Funktion von Meetings: „Wir hassen Konferenzen, aber wir brauchen sie, um uns zu vergewissern, wie wichtig wir sind. Wir wollen uns rückversichern, dass Kollegen und Chefs uns vertrauen.“ Außerdem kann keine E-Mail und kein Arbeitspapier die Intensität eines persönlichen Gesprächs ersetzen. Mimik und Gestik ergänzen den Inhalt und den Tonfall einer Rede zu einer komplexen Botschaft. Quelle: Süddeutsche Zeitung