Jeder Mensch hat ein Gewissen. Vielleicht ist das sogar ein Charakteristikum, das ihn vom Tier unterscheidet. Wer seinem Gewissen folgt, hat es allerdings nicht immer leicht. Denn die Verlockungen, anderen Motiven zu folgen, sind groß. Klaus-Peter Hufer fügt hinzu: „Viele Wege im Leben sind einfach, doch das Gewissen zeigt oft in eine schwierige, steinige, dornige Richtung.“ Menschen können wegen ihres Gewissens in Nöte geraten und ihr Leben riskieren. Manche setzen es sogar aufs Spiel und verlieren es. Im Alltag gibt es viele Prüfsteine für das Gewissen, nicht alle wiegen jedoch schwer. In vielen alltäglichen Situationen steht hinter und neben der Entscheidung das Gewissen. Klaus-Peter Hufer promovierte 1984 in Politikwissenschaften, 2001 folgte die Habilitation in Erziehungswissenschaften. Danach lehrte er als außerplanmäßiger Professor an der Uni Duisburg-Essen.
Mehr als 100.000 Menschen retteten Juden
Andere Menschen, die – oft nach reiflicher Prüfung, dann aber konsequent – ihrem Gewissen folgen, haben größere Probleme zu überwinden. Sie müssen nicht selten Leid auf sich nehmen. Wer sich beispielsweise dem Nationalsozialismus widersetzte, riskierte oder verlor sein Leben. Dazu zählen die Geschwister Scholl und ihre Freunde, der Einzelgänger Georg Elsner, die Männer und Frauen um den 20. Juli und viele andere mehr. Die genaue Zahl ist nicht bekannt. Hunderte, Tausende wurden von den Nazis ermordet, weil sie nach ihrem Gewissen handelten.
Es gab auch „stille Helden“, solche, die bedrängten und gejagten Juden halfen, ihnen Nahrung zusteckten, ihnen Unterschlupf boten. Jede und jeder von ihnen musste damit rechnen, ins Konzentrationslager zu kommen. Dennoch waren es nicht wenige. In Deutschland und im besetzten Europa beteiligten sich mehr als 100.000 Menschen an der Rettung der Juden. Die meisten von ihnen behaupteten, dass sie nichts Besonderes getan hätten, sondern nur, was ihnen ihr Gewissen diktierte.
Martin Luther musste seinem Gewissen folgen
Sie hatten ein untrügliches Gefühl dafür, was richtig und falsch ist. Ein prominentes Beispiel dafür, wie jemand seinem Gewissen folgte, auch in einer lebensbedrohlichen Situation, ist Martin Luther. Er sollte im April 1521 auf dem Reichstag zu Worms nach dem Willen der katholischen Kirche und des Kaisers seien Lehren widerrufen. Das tat er nicht, obwohl ihm der Scheiterhaufen drohte. Berühmt geworden ist der Satz: „Hier stehe ich und kann nicht anders.“
Klaus-Peter Hufer weiß: „Diese schönen und immer wieder zitierten Worte stammen allerdings nicht von ihm.“ Stattdessen sagte er, dass er an sein Gewissen und das Wort Gottes gebunden ist. Er kann und will daher nichts widerrufen, weil gegen das Gewissen etwas zu tun weder sicher noch heilsam ist. Aber wie definiert man das Gewissen? Eine Möglichkeit lautet: „Gewissen ist die Fähigkeit des menschlichen Geistes, die ethischen Werte in ihrer Realität und mit den von ihnen erhobenen Ansprüchen zu erkennen, in der das Wertgefühl im Menschen sich Geltung schafft.“ Quelle: „Zivilcourage“ von Klaus-Peter Hufer
Von Hans Klumbies