Der Aralsee droht ganz zu verschwinden

Seit mehr als dreitausend Jahren zweigt man den Flüssen zur Bewässerung von Feldern Wasser ab. Man baute Kanäle, schuf Verbindungen und grub neue Flussmündungen. Josef H. Reichholf weiß: „Allein an Europas Flüssen gibt es über eine Million Querbauwerke, die stauen oder Wasser umleiten. Zweifellos sind dies gewaltige Eingriffe in das Regime der Fließgewässer.“ Am drastischsten zu sehen ist dies am Schrumpfen von Aralsee und Kaspischem Meer. Der Aralsee droht ganz zu verschwinden, große Teile des Kaspischen Meeres ebenso und damit die letzten Reste eines erdgeschichtlichen Nebenmeeres, der Para-Tethys. Änderungen des regionalen Klimas und des Wasserhaushaltes sin die Folgen. Umgekehrt wirken sich Änderungen des Klimas auch ganz ohne Zutun der Menschen auf Flüsse im Naturzustand aus. Josef H. Reichholf lehrte an der Technischen Universität München 30 Jahre lang Gewässerökologie und Naturschutz.

Elbe und Themse waren Nebenflüsse des Rheins

So waren vor zehntausend Jahren Elbe und Themse noch Nebenflüsse des Rheins, der dort in den Atlantik mündete, wo jetzt die Kanalenge zwischen England und Frankreich liegt. In den Meeresboden ist seine schlank trichterförmige Mündungsbucht eingegraben. Damals existierte die Nordsee noch nicht. Die Themse floss weiter durch deren heutigen Südwestteil und vereinte sich mit dem Rhein. Kurz davor hatte dieser bereits Wasser von Elbe und Weser erhalten.

Jetzt getrennte, ganz eigenständige Flüsse gehörten also vor erdgeschichtlich verhältnismäßig kurzer Zeit zu einem Flusssystem zusammen. Der nacheiszeitliche, in zwei großen Schüben erfolgte Anstieg des Meeresspiegels schuf die Nordsee. Außerdem trennte er die Flüsse, die davor über Doggerland geflossen waren, so genannt wegen der untermeerischen Doggerbank der heutigen Zeit. Josef H. Reichholf ergänzt: „Das ist auch der Grund dafür, dass sich die Arten von Fischen und anderen Wassertieren in diesen ehemaligen Zuflüssen des Ur-Rheins kaum voneinander unterscheiden.“

Der Rhein zapfte die Donau an

Zum Stromsystem der Donau hingegen gibt es beträchtliche Unterschiede, obwohl sich Rhein und Donau in Quellregionen von Nebenflüssen recht nahe kommen. Die von den Wasserscheiden gebildete geringen Distanzen der Stromsysteme genügen, um über die Jahrtausende Unterschiede zu erzeugen. Diese sind zwischen Donau- und Rheinfischen weit größer als zwischen Rhein- und Themsefischen. Die Flussgeschichte des Rheins macht zudem verständlich, weshalb er die obere Donau mit seiner rückschreitenden Erosion hatte anzapfen können und ihr das Wasser abgrub.

Sein Gefälle war größer, seitdem er im Oberrheingraben fließt, der in urgeschichtlicher Zeit vor etwa 30 Millionen Jahren aufgrund seiner Tieflage sogar ein Meeresarm war. Josef H. Reichholf fügt hinzu: „Dem hat die Donau, die am Zusammenfluss ihrer Quellflüsse in Donaueschingen auf 686 Meter über NN beginnt, wenig entgegenzusetzen. Und sie wird an den „Räuber“ Rhein auch in Zukunft noch so manchen Quadratkilometer ihres Einzugsgebietes abtreten müssen.“ Quelle: „Flussnatur“ von Josef H. Reichholf

Von Hans Klumbies