Effizienz ist nicht die einzige wirtschaftliche Tugend

Als der wirtschaftliche Flächenbrand im März 2020 begann, schrieb William Galston in einem Leitartikel im „Wall Street Journal“: „Effizienz ist nicht die einzige wirtschaftliche Tugend.“ Er meinte, es könne etwas nicht stimmen mit einem Wirtschaftssystem, das außerstande ist, während einer Gesundheitskrise, wie sie in einem Jahrhundert nur einmal vorkommt, die Grundbedürfnisse der Bevölkerung zu decken. Jeremy Rifkin erläutert: „Galston legte dar, dass der Erfolg der Globalisierung darauf beruht, die Produktion von alltäglichen Gütern und Dienstleistungen in diejenigen Weltregionen zu verlagern, in denen sich durch niedrige Lohnkosten und nicht vorhandene Umweltschutzgesetze effiziente Skaleneffekte erzielen lassen.“ Diese Produkte werden dann mit Containerschiffen und Flugzeugen aus fernen Ländern in die reichen Länder transportiert. Jeremy Rifkin ist einer der bekanntesten gesellschaftlichen Vordenker. Er ist Gründer und Vorsitzender der Foundation on Economic Trends in Washington.

Mit steigender Effizienz nimmt die Resilienz ab

Die Effizienzgewinne durch die Globalisierung seine zwar ein „Kompromiss“ und „unvermeidlich“ so William Galston. Doch die Folge sei, „dass mit steigender Effizienz die Resilienz abgenommen hat“. Zum Abschluss sprach er eine Warnung aus: „Im unermüdlichen Streben nach der Effizienz, die einen wesentlichen Konkurrenzvorteil ausmacht, führen die Entscheidungen einzelner Marktteilnehmer in der Summe zu einer suboptimalen Widerstandsfähigkeit, die ein öffentliches Gut darstellt.“

In der Unternehmenswelt hört man so etwas gar nicht gern. William Galston verwies auf die Schattenseiten der hochgelobten Effizienz und effizienten Märkte im globalen Wirtschaftssystem. Damit legte er den Finger in die Wunde des gesamten Systems, nach dem moderne Gesellschaften funktionieren. Wäre Galstons Artikel ein einzelner Schuss vor den Bug gewesen, dann wäre er vermutlich ungehört verhallt. Doch wenige Wochen später veröffentlichte der republikanische Senator Marco Rubio eine Meinungsartikel in der „New York Times“. Darin verlangte er eine widerstandsfähigere amerikanische Wirtschaft.

Monokulturen sind nicht resilient

Den Unternehmen der Vereinigten Staaten warf Rubio vor, ihre Produktion in Entwicklungsländer ausgelagert und zu Hause eine Finanz- und Dienstleistungswirtschaft errichtet zu haben. „Das Ergebnis war einer der effizientesten Wirtschaftsmotoren aller Zeiten“, dem es jedoch „an Widerstandsfähigkeit fehlt, und das kann in einer Krise verheerend sein“. Die USA müsse sich auf den resilienten Geist besinnen, der das Land groß gemacht habe.

Jeremy Rifkin stellt fest: „Die Kritik von William Galston und Marco Rubio an den Auswüchsen der Effizienz auf Kosten der Widerstandsfähigkeit war nicht neu. Nur dass nun, da Bürger zu Beginn der Coronakrise in Supermärkten und Apotheken vor leeren Regalen standen, der Preis für Wirtschaft und Gesellschaft für jedermann sichtbar war.“ Schon vor der Coronakrise war aus dem kapitalistischen Establishment Kritik laut geworden. Eine Lektion lautet, dass Monokulturen gleich welcher Art effizient sein mögen, dass sie aber nicht resilient sind. Quelle: „Das Zeitalter der Resilienz“ von Jeremy Rifkin

Von Hans Klumbies