Auf dem Höhepunkt eines Landes beginnt schon sein Abstieg

Auf dem Höhepunkt kann ein Land die Erfolge, denen es seinen Aufstieg verdankte, aufrechterhalten. Ray Dalio warnt: „Doch im Lohn des Erfolgs, liegt der Ursprung des Abstiegs begründet. Mit der Zeit wachsen die Verbindlichkeiten und zerstören die sich selbst verstärkenden Rahmenbedingungen, die dem Aufstieg Nahrung gaben.“ Wenn die Menschen in einem Land, das mittlerweile reich und mächtig ist, mehr verdienen, sind sie als Arbeitnehmer teurer und weniger wettbewerbsfähig als Menschen in anderen Ländern, die bereit sind, für weniger Geld zu arbeiten. Gleichzeitig kopieren die Menschen aus anderen Ländern die Methoden und Technologien einer Führungsmacht, was deren Wettbewerbsfähigkeit weiter unterhöhlt. Ebenso gilt: Werden die Menschen in einem führenden Land reicher, arbeiten sie in aller Regel nicht mehr so hart. Ray Dalio ist Gründer von Bridgewater Associates, dem weltgrößten Hedgefonds. Er gehört mit zu den einflussreichsten Menschen der Welt.

Die ungleiche Verteilung des Wohlstands verstärkt sich selbst

Sie gönnen sich mehr Freizeit, widmen sich den schöneren, weniger produktiven Dingen des Lebens und werden im Extremfall dekadent. Ray Dalio weiß: „Während des Aufstiegs an die Spitze verändern sich die Werte von Generation zu Generation – von denjenigen, die um Wohlstand und Macht kämpfen mussten, zu denjenigen, die sie ererbt haben. Die neue Generation ist nicht mehr so kampferprobt, dafür von Luxus verwöhnt und verweichlicht.“ Wird sie mit Herausforderungen konfrontiert, zeigt sie Schwächen.

Ray Dalio ergänzt: „Hinzu kommt, dass Menschen, die daran gewöhnt sind, dass es ihnen gut geht, eher geneigt sind, davon auszugehen, dass die guten Zeiten anhalten, und sich Geld dafür leihen – was zu Finanzblasen führt.“ In kapitalistischen Systemen fließen Finanzerträge ungleichmäßig, sodass das Wohlstandgefälle zunimmt. Die ungleiche Verteilung des Wohlstands verstärkt sich selbst, weil die Reichen ihre größeren Ressourcen nutzen, um ihre Macht auszubauen.

Ungleichheiten beim Wohlstand schüren Ressentiments

Die Reichen beeinflussen auch das politische System zu ihrem Vorteil und verschaffen ihren Kindern größere Privilegien – wie höhere Bildung. Das lässt die Unterschiede bei Werten, politischen Einstellungen und Entwicklungsmöglichkeiten zwischen den Wohlhabenden und den Bedürftigen weiter anwachsen. Ray Dalio stellt fest: „Diejenigen, denen es nicht so gut geht, empfinden das System als ungerecht. Das schürt Ressentiments. Solange der Lebensstandard der meisten Menschen aber noch steigt, kochen solche Diskrepanzen und Neidgefühle nicht zu Konflikten hoch.“

Auf dem Höhepunkt setzt eine Veränderung der Finanzsituation im einem führenden Land ein. Dass es über eine Reservewährung verfügt, verleiht ihm das exorbitante Privileg, immer mehr Kredite zu erhalten, wodurch es sich immer höher verschuldet. Unweigerlich beginnt das Land, exzessiv Kredit aufzunehmen, was dazu führt, dass seine Verbindlichkeiten bei ausländischen Kreditgebern enorm anschwellen. Ray Dalio fügt hinzu: „Das steigert zwar kurzfristig die Kaufkraft der Führungsmacht, schwächt sie aber langfristig.“ Quelle: „Weltordnung im Wandel“ von Ray Dalio

Von Hans Klumbies