Für Herbert Schnädelbach schillert der Sinnbegriff in allen Farben. Er sieht ein Spektrum vor sich, das sich vom Gesichtssinn über den Uhrzeigersinn, den Sinn von Wort und Taten bis zum Sinn des Lebens erstreckt. Die Philosophen interessieren sich vor allem für den Mitteilungssinn und den Handlungssinn. Die beiden dementsprechenden Begriffspaare „Sinn und Bedeutung“ sowie „Sinn und Zweck“ sind den Menschen auch im Alltagsgespräch vertraut. Herbert Schnädelbach wirft einen Blick zurück in die Geschichte und erklärt: „Erst im 19. Jahrhundert stieg „Sinn“ zu einem zentralen Problemtitel der Philosophie auf, und dies nicht nur im Zusammenhang mit der Frage nach dem Sinn des Lebens, die in dieser Formulierung dem 18. Jahrhundert noch nicht geläufig war, sondern vor allem vor dem Hintergrund des Endes der klassischen Metaphysik, das den Gedanken nahelegte, das Ganze der Welt könnte sinnlos sein. Vor seiner Emeritierung war Herbert Schnädelbach Professor für Philosophie an den Universitäten Frankfurt am Main, Hamburg und an der Humboldt-Universität zu Berlin.
Der Idealismus scheint in Nihilismus umzuschlagen
Friedrich Nietzsche, der von 1844 bis 1900 lebte, hat dies als Symptom des heraufziehenden Nihilismus gedeutet. Er glaubte zu erkennen, dass der ganze Idealismus der bisherigen Menschheit im Begriff war, in den Glauben an die absolute Wertlosigkeit beziehungsweise Sinnlosigkeit umzuschlagen. Herbert Schnädelbach fügt hinzu: „Nietzsche operiert an dieser Stelle mit dem Begriffspaar „Sinn und Wert“, dem zufolge das Wertlose zugleich als das Sinnlose erscheint und umgekehrt nur das Sinn hat, was werthaft ist.“
Sinn und Bedeutung“, „Sinn und Zweck“, „Sinn und Wert“ – in den jeweiligen Verwendungen überschneiden sich laut Herbert Schädelbach die Begriffspaare. Friedrich Nietzsche denkt die Werte vom Handlungssinn her, denn ihm zufolge gibt es Sinn und Wert in der Welt nur, wenn Menschen sich Zwecke setzen und diese dann auch realisieren. Herbert Schnädelbach ergänzt: „Die nihilistische Erfahrung der objektiven Sinnlosigkeit schafft daher zugleich den Freiraum für die Umwertung aller Werte.“
Der Pragmatismus will den Mitteilungssinn vom Handlungssinn her verstehen
Gemäß Herbert Schnädelbach hat es auch nicht an Versuchen gefehlt, den Mitteilungssinn vom Handlungssinn her zu verstehen, wobei vor allem dem Pragmatismus eine bedeutende Rolle zukommt. Umgekehrt liegt es seiner Meinung nach nahe, mit der Sprechakttheorie – wichtige Vertreter sind John L. Austin und John Searle – bestimmten performativen Handlungen einen Mitteilungssinn beizulegen. Herbert Schnädelbach fügt hinzu: „Die Kopplung von Sinn und Wert hingegen ist uns heute fremd geworden, wir sprechen an dieser Stelle eher von „Relevanz“.“
Aber allen drei Varianten des Konzepts „Sinn“ ist laut Herbert Schnädelbach gemeinsam, dass es dort einschlägig ist, wo es darum geht, etwas zu verstehen, sei es die Bedeutung, den Zweck oder die Wichtigkeit von menschlichen Äußerungen und Handlungen. Herbert Schnädelbach ergänzt: „Verwirrend mag sein, dass wir den Ausdruck „Bedeutung“ häufig auch dort verwenden, wo es um den Handlungssinn geht, und damit dann Bedeutsamkeit meinen; hier entscheidet der Kontext.“
Von Hans Klumbies