Begabung kann nicht als hoch oder niedrig eingestuft werden

Wenn man den Begriffen „Talent“ und „Begabung“ ein wenig mehr auf den Grund geht, wird man feststellen, dass das, was Wissenschaftler wahrnehmen und messen können, nicht Talent ist, sondern Erfolg oder eben auch Misserfolg. Markus Hengstschläger beschreibt die Voraussetzungen des Erfolgs: „Für Erfolg müssen die individuellen Leistungsvoraussetzungen des Einzelnen entdeckt und durch harte Arbeit in eine besondere Leistung umgesetzt werden. Einmal spielen Gene eine geringe Rolle und ein anderes Mal entscheiden sie aber mit – je nachdem, wovon wir gerade sprechen.“ Markus Hengstschläger hat sich in den vergangenen Jahren intensiv mit den Fragen um Talentfindung und Talentförderung beschäftigt. Mit 16 Jahren war Markus Hengstschläger als Punk unterwegs. Mit 24 Jahren promovierte er zum Doktor der Genetik und 35-jährig zum jüngsten Universitätsprofessor für Medizinische Genetik berufen.

Talent im Sinne einer besonderen Leistungsvoraussetzung lässt sich nicht messen

Eine der Thesen von Markus Hengstschläger in seinem neuen Buch „Die Durchschnittsfalle“ lautet: „Die Talente von heute sind die Antworten von morgen.“ Die Leistung selbst, den Erfolg also kann man messen und vergleichen, die Begabung, das Talent im Sinne einer besonderen Leistungsvoraussetzung an sich, eigentlich nicht. Markus Hengstschläger schränkt allerdings ein: „Man kann aber in einer Art Rückschau nach Beobachtung einer besonderen Leistung darüber spekulieren, welche Kategorien an Leistungsvoraussetzungen dafür eventuell notwendig gewesen sein könnten.“

Die eigentliche Unbestimmbarkeit macht es für Markus Hengstschläger auch so ausgesprochen schwer, von Hochbegabung beziehungsweise Hochbegabten zu sprechen. Da die Begabung offensichtlich nicht messbar ist, kann sie eigentlich auch nicht als hoch oder niedrig eingestuft werden. In den meisten Fällen einer herausragenden Leistung ist der Protagonist nicht notwendigerweise hoch begabt, sondern hat einfach etwas Tolles erreicht. Markus Hengstschläger ergänzt: „Wie viel entsprechende Leistungsvoraussetzung, Begabung dahinter steckt, lässt sich schwer beurteilen.“

Overachiever erbringen Leistungen oberhalb ihres Potentials

Schließlich können fehlende Leistungsvoraussetzungen laut Markus Hengstschläger oft durch enormen Einsatz wettgemacht werden und man wird dadurch ein „highachiever“, das heißt, jemand, der etwas Wertvolles erreicht beziehungsweise geleistet hat. Markus Hengstschläger fügt hinzu: „Umgekehrt kann man aber auch einfach durch fehlenden Einsatz, durch zu wenig Konsequenz oder Konstanz eine besondere Leistungsvoraussetzung „verspielen“. Viel zu oft wird man jedoch einfach deshalb nicht zum „highachiever“, weil man die Chance nie erhalten hat, seine Talente in die Tat umzusetzen.“

Markus Hengstschläger verwendet den Begriff des „highachiever“ lediglich für jemanden, der eine Leistung im Sinne von positivem Erfolg erbringt, also seine Leistungsvoraussetzungen durch harte Arbeit entdecken und umsetzten kann oder konnte. Der Begriff „underachiever“ dagegen wird in der wissenschaftlichen Literatur häufig verwendet, um jemanden zu beschreiben, der unter seinen Möglichkeiten, welcher Natur auch immer, bleibt. Der Begriff „overachiever“ wird laut Markus Hengstschläger oft gebraucht, um jemanden zu charakterisieren, der Leistungen oberhalb seines Potentials erreicht.

Von Hans Klumbies