Jede Art hat eine Funktion im Ökosystem

Die genetische Vielfalt ist der Rohstoff, mit dem die Evolution die Vielfalt des gesamten Lebens baut. Dirk Steffens und Fritz Habekuss warnen: „Wir wissen nicht, wie viele Bauteile wir aus der Maschine des irdischen Lebens entfernen können, bevor sie aufhört zu funktionieren. Wir wissen nicht, wo genau die Kipppunkte liegen, wie viele Arten noch aussterben können, bevor es auch für uns Menschen lebensgefährlich wird.“ Eine Rechtfertigung für die Untätigkeit und Ignoranz der Menschheit ist dieses Nichtwissen keinesfalls. Auch wenn jede Art eine Funktion in ihrem Ökosystem hat, sind manche doch wichtiger als andere. In ihrem Buch „Über Leben“ erzählen der Moderator der Dokumentationsreihe „Terra X“ Dirk Steffens und Fritz Habekuss, der als Redakteur bei der „ZEIT“ arbeitet, von der Vielfalt der Natur und der Schönheit der Erde.

Korallenriffe schützen die Küsten

Diese Arten sind die systemrelevanten Spezies. Verschwindet in einem Korallenriff eine Art von Putzerfischen, können wahrscheinlich andere Fische ihre Aufgabe übernehmen. Funktionelle Redundanzen nennen Biologen das – die eine Art kann die Arbeit der anderen übernehmen. Kommen aber immer weniger Haie ans Riff, können sich Riffbarsche und Barracudas vermehren. Diese machen vor allem Jagt auf Papageifische, die wiederum die Algen von den Korallen knappern.

Dirk Steffens und Fritz Habekuss wissen: „Ohne Papageifische ersticken die Korallenpolypen unter den Algen, und das Riff beginnt zu sterben. Dann leiden alle Arten, Homo sapiens inklusive.“ Denn weltweit hängt die Ernährung von rund einer halben Milliarde Menschen vom Fischreichtum der Korallenriffe ab. Außerdem geht dann der natürliche Küstenschutz verloren, der mindestens 300 Millionen Menschen von Stürmen und Wellen abschirmt. Die Menschheit weiß das zwar, tut aber dennoch zu wenig für den Schutz der Küsten.

Den allermeisten Korallenriffe droht der Tod

Ein Fünftel aller Riffe sind bereits verschwunden, weitere 40 Prozent sind bedroht. Nehmen Versauerung und Erwärmung der Ozeane weiterhin so schnell zu wie im Moment, werden noch in diesem Jahrhundert die allermeisten Korallenriffe sterben. Auch deshalb wäre es eine gute Idee, Haie in Ruhe zu lassen. Aber trotzdem sterben schätzungsweise 100 Millionen pro Jahr. Weil in Asien ihre Flossen begehrt sind, weil sie als Beifang sterben, weil man Haie zu Schwertfischen umdeklariert.

All die Gene, Arten und Ökosysteme machen zusammengenommen also die Vielfalt des Lebens aus. Nur wenn alle drei Vielfalten gegeben sind, stellt die Erde der Menschheit all das zur Verfügung, was sie zum Leben braucht. Genug zu essen, zu atmen und zu trinken. Menschliche Eingriffe in die Naturkreisläufe können auf den ersten Blick sinnvoll erscheinen, weil sie die Produktivität der Erde erhöhen. Seit Fritz Haber und Carl Bosch ihr als „Brot aus Luft“ gepriesenes Verfahren zur Synthese von Ammoniak erfanden, dopt die Menschheit ihre Äcker mit künstlichem Dünger. Quelle: „Über Leben“ von Dirk Steffen und Fritz Habekuss

Von Hans Klumbies