Die Sinnsuche im Job hat epidemische Ausmaße angenommen

Ingo Hamm schreibt: „Wir alle haben keine Sklavenjobs. Niemand von uns muss auf der Galeere rudern oder im Steinbruch Brocken klopfen. Auch verdienen die meisten von uns – hier in der westlichen Welt – ganz ordentlich.“ Es reicht um Leben und es reicht gut, auch wenn viele auf hohem Niveau, sprich mit schönem Häuschen und Drittwagen für den studierenden Filius, klagen. Die meisten Menschen können also zufrieden sein. Im Großen und Ganzen. Nur sie sind es definitiv nicht. Die Sinnsuche im Job hat inzwischen epidemische Ausmaße angenommen wie auch das generelle „Unbehagen in der Arbeitskultur“, wie es Sigmund Freud betiteln würde. Findige Arbeitgeber spüren natürlich dieses brodelnde Unbehagen – eventuell auch und gerade bei sich selbst. Dr. Ingo Hamm ist Professor für Wirtschaftspsychologie an der Hochschule Darmstadt.

New Work ist der neue Sinn der Arbeit

Also entwickeln die Arbeitgeber für ihre Angestellten „New Work“. Worum geht es denn der neuen Arbeit. Ingo Hamm erklärt: „Nach eigenem Bekunden darum, dass der Mensch nicht tut, was er tun muss, sondern macht, was er machen will und wie er es machen will. Und das alles viel flexibler, freier, agiler und netter als in der alten Arbeitswelt, wo der Chef noch „Zum Diktat!“ ins Nebenzimmer brüllte.“ Man braucht also keinen Sinn bei der Arbeit und auch keinen Zweck mehr.

Denn „New Work“ liefert alles, was man zur Arbeit und zum Leben braucht. Oder anders formuliert: New Work ist der neue Sinn der Arbeit. Wenn das so ist, dann suchen sich jetzt alle sofort einen Job aus der schönen neuen Welt von New Work. Doch sollte man das wirklich tun? Ingo Hamm weiß: „Als Erfinder von New Work gilt Frithjof Bergmann, 1930 in Deutschland geboren, 1949 in die USA übergesiedelt.“ Nach einem verschlungenen Berufsweg lehrte er Philosophie in Princeton, Stanford und Berkeley.

Der Kapitalismus produziert Lohnsklaven

Allein der Begriff „Arbeit“ produziert ein ungutes Gefühl in der Magengrube. Deshalb will Frithjof Bergmann mit New Work die Arbeit an sich in einen „erstrebenswerten, angenehmen Zustand“ verwandeln. Nämlich in etwas, was der Mensch nicht wegen des Geldes oder zum Abstottern von Krediten tun muss, sondern was er wirklich tun möchte. Ingo Hamm erläutert: „Bergmann argumentiert: Das System der Arbeit gegen Geld sei, mit gerade einmal 200 Jahren auf dem Buckel, noch sehr jung. Und doch bestünde bei vielen Menschen der Glaube, dass dieses System nicht nur bewährt, sondern geradezu alternativlos sei.“

Frithjof Bergmann jedoch meint: Mit diesem System handle man sich neben vielen Vorteilen auch gravierende Nachteile ein. Denn das System produziere nichts weniger als Lohnsklaven. Also Menschen, die tun, was sie eigentlich nicht wollen, weil sie es tun müssen, um leben zu können. Eine Alternative zu diesem System der Arbeit solle daher die sogenannte „Neue Arbeit“ sein. Die zeitlich überwiegende Komponente der Neuen Arbeit sollte etwas sein, das der Mensch wirklich, wirklich tun will. Damit meint Frithjof Bergmann eine Arbeit, die einen Herzenswunsch erfüllt oder eine Art Belohnung darstellt. Quelle: „Sinnlos glücklich“ von Ingo Hamm

Von Hans Klumbies