Die Gesellschaft ist nicht gebildet sondern eingebildet

Auch wenn zunehmend neue Bildungskonzepte entstehen, hat man es größtenteils mit einer Gesellschaft zu tun, die einen traditionellen Ansatz der Bildung verfolgt. Dort manifestiert man Absolutheiten. Man legt keinen Wert auf das Lernen, das Miteinander oder das Wohl der zukünftigen Generationen. Sondern man fördert ausschließlich die Optimierung eines Individuums, die Vorbereitung auf Karriere und Wettkampf. Anders Indset kritisiert: „So sind wir eingebildet. Unsere Gesellschaft ist eingebildet. Wir meinen, wir seinen gebildet. Doch letztlich bilden wir uns das nur ein.“ Der Begriff „Bildung“ ist ausgehöhlt, nichtssagend. Er ist tragischerweise zu einem prätentiösen Begriff geworden. Man kokettiert und schwadroniert mit ihm. Es fallen Aussagen wie „Bildungsrepublik“, „Wir müssen mehr in Bildung investieren“, „Bildung ist der Schlüssel zum Erfolg“. Anders Indset, gebürtiger Norweger, ist Philosoph, Publizist und erfolgreicher Unternehmer.

Eine Wissensgesellschaft führt nicht zu mehr Bildung

Sie haben jedoch mit Bildung nichts zu tun. Sie missbrauchen die Vorstellung, die mit Bildung verbunden ist. Die Unwissenheit macht sich deutlich. Anders Indset stellt fest: „Wir leben in einer von dem Begriff und dem Verständnis für Bildung und dem damit verbundenen Ideal entkoppelten Welt.“ Das Gegenteil von einer Bildungsgesellschaft ist die gegenwärtige Wissensgesellschaft. Die Wissensgesellschaft führt allerdings nicht zu mehr Bildung. Die zunehmende Bedeutung von Wissenschaft hat zu einem Bedeutungsverlust von Bildung geführt.

Anders Indset beanstandet: „Zitierfähigkeit, Gefälligkeit, populäre und monetär erfolgreiche Hypothesen überschatten die Wahrheitssuche. Das ist die große Paradoxie, mit der wir konfrontiert sind und die unser Denken vernebelt.“ Es herrscht der Irrglaube vor, dass mit dem gesellschaftlichen Aufstieg des wissenschaftlichen Denkens die Bildung an Bedeutung gewinnt. Das Wissen in Form von Fakten, Theorien, Denkschulen und Regeln hat genau das Gegenteil bewirkt. Jene Einrichtungen, die den Auftrag haben, dieses Wissen zu vermitteln, versteht man als Bildungsinstitutionen.

Die Informationsgesellschaft betet das statische Wissen an

Doch diesem Anspruch hinken sie weit hinterher. Längst haben sich die vermeintlichen Tempel der Bildung vom Sinn ihres Daseins gelöst, um als Irrlichter eines verlorenen Bildungsgedankens zu flackern. Auf den Altären der heiligen Hallen der Informationsgesellschaft betet man das statische Wissen an, während man dem Lebendigen noch nicht einmal Zutritt gewährt. Anders Indset weiß: „Bildung braucht aber beides: das Statische und das, was es überwindet.“

Statt der Bildung hat sich die Einbildung fest in den sogenannten Bildungsinstitutionen etabliert. Die Begrifflichkeit verwandelt sich zum Etikett für Institutionen und Menschen. Man hat sie zu einem Slogan reduziert, der sich festgesetzt hat. Das Label ist inzwischen wichtiger als der Inhalt. Auf Sweatshirts mit dem Logo der jeweiligen Alma Mater, hat die Einbildung ihren prominenten Platz gefunden. Anders Indset stellt fest: „Wir werden zu Litfaßsäulen der Bildung – die Visualisierung der Bildung als Kompensation für das Nichtvorhandensein von Bildung.“ Quelle: „Das infizierte Denken“ von Anders Indset

Von Hans Klumbies